Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
des Bezirksrichters, darüber zu entscheiden, nicht meine.«
»Wir brauchen keinen Richter, wenn Sie die Anschuldigungen einfach unter den Tisch fallen lassen.« Kyles schwarze Augenbrauen zuckten, denn er war es nicht gewohnt, daß sich jemand seinen Wünschen oder Anordnungen widersetzte - gleich, ob sie nun gerechtfertigt waren oder nicht.
Shay setzte sein berühmtes Lächeln auf. »Das ist richtig, Mr. Kyle«, antwortete er. »Das Problem bei der Sache ist allerdings, daß es sich hierbei nicht um einen von Billys üblichen dummen Jungenstreichen handelt. Er und O'Sullivan sind gewaltsam ins Büro eines U. S. Marshall s eingedrungen, um einen Gefangenen zu befreien. Das ist eine ernste Sache. Ich kenne mehr als einen Mann, der wegen so eines Verbrechens eine Strafe im Staatsgefängnis absitzt.«
Kyles sonnengebräuntes Gesicht wurde eine Spur blasser. »Der Junge wollte sich nur einen Spaß erlauben.« Kyles Gebiss , das er sich wahrscheinlich von einem Versandhaus im Osten hatte schicken lassen, klapperte nervös. »Vielleicht haben Sie ja meinen Jungen eingebuchtet, weil Sie selbst ein Interesse an dieser Frau aus dem Saloon haben.«
Immer wieder wunderte Shay sich darüber, wie schnell sich doch manche Neuigkeiten herumsprachen. Die Powder Creek Ranch lag gut zehn Meilen außerhalb der Stadt, es war gerade erst hell geworden, und Shay hatte noch nicht mal gefrühstückt, aber trotzdem wusste der alte Kyle bereits über Aislinn Bescheid. Da er keine Gelegenheit gehabt hatte, mit seinem Sohn darüber zu reden, muss te jemand noch vor Sonnenaufgang zur Ranch geritten sein, um ihn zu informieren.
Shay polierte seinen Stern mit dem Ärmel seines Hemdes. Diese Geste hatte immer eine beruhigende Wirkung auf ihn, wenn die Lage kritisch war. »Und wenn ich kein Interesse an dieser Frau habe, hätte ich sie Ihrer Ansicht nach wohl einfach Billy überlassen sollen, damit der Junge seinen Spaß mit ihr haben kann. Das meinten Sie doch, Mr. Kyle?«
Kyle antwortete nicht, aber seine Nackenmuskeln schwollen ein.
»Du muss t mich hier rausholen, Pa!« wimmerte Billy, der durch die Gitterstäbe starrte und erbärmlich aussah. Sein Bart war büschelweise gewachsen, und er hatte tiefe Ringe unter den Augen. »Seit der Marshall nichts mehr trinkt, kann man nicht mehr vernünftig mit ihm reden. Erst hat er mich auf der Straße fertiggemacht, dann hat er mich im >Yellow Garter< an die Fußleiste der Bar gefesselt, und schließlich hat er mich auch noch in diese verlauste Zelle gesteckt. Du muss t dem Mann mal ordentlich Bescheid sagen, Pa, damit er weiß, wo seine Grenzen sind.«
Der Rancher drehte sich langsam um und betrachtete seinen Sohn. Shay glaubte eine Eiseskälte zu spüren, die plötzlich von dem Mann auszugehen schien. »Halt den Mund«, befahl er. Seine Stimme klang leise, aber seine Worte enthielten eine unmissverständliche Warnung. »Kein Wort mehr, Freundchen, oder ich prügele dich eigenhändig windelweich.«
Billy zuckte zusammen und ließ die Gitterstäbe los. Er schluckte so hart, als hätte er gerade eine glitschige Kröte verschluckt. Auch O'Sullivan schien reichlich nervös zu sein, denn er presste sich in der hintersten Ecke ganz eng an die Wand.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Shay seine Gefangenen, aber seine Gedanken drehten sich um die Frage, warum Kyle Senior schon vor Sonnenaufgang in die Stadt geritten war, um seinen Jungen aus dem Gefängnis zu holen. Er wollte offensichtlich verhindern, daß Billy etwas sagte, was er besser nicht sagen sollte. Der Junge war leicht erregbar und ließ sich schnell aus der Fassung bringen.
»Wenn Sie jemanden losschicken, tim den Bezirksrichter zu informieren, habe ich nichts dagegen«, erklärte Shay dem alten Rancher. »Wenn der Richter eine Kaution festgesetzt hat, werde ich Ihren Sohn nach Zahlung der Summe auf freien Fuß setzen. Bis dahin bleiben aber beide Männer in meinem Gewahrsam, weil sie in mein Büro eingebrochen sind, um Miss Aislinn Lethaby zu entführen. Ich möchte lieber nicht wissen, wie die Anklage lauten würde, wenn ich nicht hier gewesen wäre, um die beiden aufzuhalten.«
Kyle starrte den Marshall eine Weile schweigend an. Sein Gesicht war jetzt nicht mehr so gerötet, aber er war immer noch sehr erregt, was daran zu erken ne n war, daß der Muskel unterhalb des Wangenknochens unaufhörlich zuckte. »Ich würde gerne mit meinem Sohn ein Wort unter vier Augen reden«, sagte er. »Ich denke doch, daß Sie das gestatten
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