Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
den offenstehenden Vorhang ins Hinterzimmer zu spähen. Mr. Kyle stand halb über die Theke gebeugt und sah aus, als würde er Cornelia gleich bei den Haaren packen.
»Shamus McQuillan hat den Jungen aufgenommen, hat ihm seinen Namen gegeben und ihn als seinen Sohn erzogen. Nach dem Gesetz ist der Marshall dein Bruder, als wäre er in deine Familie hineingeboren worden. Wenn du weißt, was gut für dich ist, Cornelia McQuillan, wirst du deine Einstellung gegenüber Shay ganz schnell ändern. Du wirst ihn an deinen Busen drücken und dich für alles entschuldigen, was du ihm im Laufe seines Lebens angetan hast. Dann wirst du ihn zur Vernunft bringen und dafür sorgen, daß er Billy aus dem Gefängnis entläßt, denn sonst könnte es hier in Prominence mehr Tote geben, als du dir vorstellen kannst.«
Aislinn biß sich auf die Unterlippe und wartete. Sie kannte Shay ja nicht allzugut, aber sie hätte ihre gesamten Ersparnisse darauf verwettet, daß niemand - und Cornelia schon gar nicht - den Marshall von dem Weg abbringen konnte, den er einmal eingeschlagen hatte.
»Shay ist doch nicht blöd«, erwiderte Cornelia mit rauer Stimme. »Er weiß, daß ich ihn nicht ausstehen kann. Er würde mich sofort durchschauen, wenn ich ihm nach all den Jahren plötzlich um den Bart streichen und versuchen würde, die Gräben zwischen uns zu überbrücken.«
Kyle packte Cornelias Kinn mit einer Hand, aber die Geste war alles andere als zärtlich. »Dann muss t du dir eben etwas Glaubhaftes einfallen lassen«, sagte er in einem Ton, daß es Aislinn eiskalt über den Rücken lief. Abrupt ließ er sie los, drehte sich um und ging davon. Cornelia blickte dem Mann stumm hinterher, aber in ihrem Gesicht spiegelten sich all die Emotionen, die sie empfand: Angst, Wut und Hilflosigkeit.
Aislinn duckte sich wieder hinter die Fässer und sah durch das Fenster, wie Dorrie mit einem Bündel auf dem Arm vom Hotel auf den Laden zuging. Aislinn schloß für einen Moment die Augen und schickte ein stummes Gebet zum Himmel. Sie konnte nur hoffen, daß ihre neue Freundin nicht ausgerechnet jetzt mit Cornelia darüber sprechen wollte, daß sie Aislinn als neue Aushilfskraft eingestellt hatte. Cornelia würde außer sich sein, wenn sie erfuhr, daß Aislinn bei dem Zusammenstoß mit Mr. Kyle im Laden gewesen war und womöglich das Gespräch bela u sch t hatte.
Sie hatte zwar nicht den vollen Sinn verstanden, aber so viel war ihr klar: Die Sache war wichtig. Sobald sie mit ihrer Arbeit fertig war, wollte sie zu Shay gehen und ihm von der seltsamen Unterredung erzählen. Dann konnte er entscheiden, was er mit dieser Information anfing.
Dorrie blieb einen Moment vor dem Fenster stehen und schaute Aislinn direkt in die Augen. Dann zog sie einen Briefumschlag heraus, lächelte selig, winkte verstohlen und ging weiter, ohne den Laden zu betreten. Offensichtlich hatte sie Post von Leander bekommen und konnte es kaum erwarten, den Brief zu lesen.
Aislinn wartete eine ganze Weile regungslos und fürchtete, daß sie doch noch entdeckt würde. Aber Cornelia schien den kurzen Blickwechsel zwischen Dorrie und der neuen Aushilfe nicht bemerkt zu haben. Schließlich nahm Aislinn ihren ganzen Mut zusammen und kroch hinter den Fässern hervor. Cornelia schien sich zurückgezogen zu haben, jedenfalls war sie nirgends zu sehen.
Hastig trat Aislinn ins Freie, blieb ratlos auf dem hölzernen Fußsteg stehen und fragte sich, was sie nun tun sollte. Sie beobachtete, wie Shay aus dem Gefängnis trat. Er machte ein finsteres Gesicht, und sie wusste instinktiv, daß dies nicht der geeignete Zeitpunkt war, um ihm zu erzählen, was sie im Laden gehört hatte. Sie hatte keine Angst vor Shay, denn sie war sicher, daß er ihr - zumindest körperlich - nie weh tun würde, aber es war klar, daß er jetzt nicht in der Stimmung war, um sich ihre Geschichten anzuhören.
Er hielt einen Mann auf, der ihm entgegenkam, und die beiden sprachen eine Weile miteinander. Aislinn konnte nicht verstehen, worüber sie redeten, aber der andere Mann nickte, trat ins Büro des Marshall s und ließ die Tür hinter sich offen. Shay blickte aufmerksam die Straße rauf und runter und ging dann zum Mietstall. Wenig später kam er mit seinem Pferd wieder heraus.
Falls er Aislinn gesehen hatte, zeigte er es nicht. Er schwang sich in den Sattel und ritt los. Im nächsten Moment zügeite er den Wallach und brachte das Tier direkt vor Aislinn zum Stehen.
»Hast du gut geschlafen?« fragte er.
So eine
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