Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
entschlossen, sich bei nächster Gelegenheit erschießen zu lassen«, erwiderte sie tonlos und setzte sich auf die Stufe unter Eugenie.
Die Ältere lächelte aufmunte rn d. »Shay schafft das schon. Es wird alles gut werden.« Sie schwieg einen Moment und fügte dann ernst hinzu: »Du muss t fest daran glauben, denn der Glaube bewirkt manchmal wahre Wunder.«
»Ich liebe ihn, Eugenie.« Aislinn sagte das so feierlich, als würde sie ein heiliges Gelübde ablegen. »Was soll ich denn bloß tun?«
»Ihn heiraten«, schlug Eugenie ganz sachlich vor. »Ein Mann wie Shay wird stramme Babys zeugen und immer fest zu seiner Frau halten.«
Aislinn errötete verlegen. Sie selbst hatte es sich nicht erlaubt, daran zu denken, Shays Kinder zu gebären - jedenfalls nicht bewusst . Aber nun konnte sie es sich auf einmal lebhaft vorstellen. »Er hat mich ja nicht einmal gefragt, ob ich seine Frau werden will.«
»Dann solltest du ihn fragen, ob er dein Mann werden will«, erwiderte Eugenie ungerührt. Ihr Gesichtsa u sdruck ließ keinen Zweifel daran, daß sie diesen Vorschlag absolut ernst meinte. »Du willst doch wohl nicht den Rest deines Lebens von Shay träumen, so, wie die arme Dorrie von ihrem Leander träumt?«
Aislinn war froh über den Themenwechsel, obwohl diese Geschichte auch nicht gerade erfreulich war. »Dorrie hat mir angeboten, den letzten Brief von Leander zu lesen«, erzählte sie. »Sie glaubt, daß er bald kommt, um sie abzuholen.«
Eugenie seufzte tief und sorgenvoll. »Es ist schon traurig zu sehen, wie Dorrie immer noch hofft und regelmäßig Briefe an einen Mann schreibt, der ihr nie antwortet, weil er wahrscheinlich längst tot ist.«
Aislinn runzelte die Stirn. »Aber Dorrie hat doch erst vor ein paar Tagen einen Brief von Leander bekommen.«
Die ältere Frau trank einen Schluck Kaffee, und ihre Gedanken gingen viele Jahre zurück. »Objektiv betrachtet, war Leander nicht viel wert. Er sah ganz gut aus und konnte natürlich charmant sein, aber er hatte einen miesen Charakter. Außerdem war er ein Säufer. Der alte Shamus hatte allen Grund, seine Tochter vor dem Tunichtgut zu bes chützen und ihn zum Teufel zu j agen - aber Shamus hat Dorrie damit leider das Herz gebrochen, denn sie liebte diesen Mann nun mal. Die Liebe ist eine große Macht, und vielleicht wäre Dorrie mit ihrem Leander ja glücklich geworden.«
»Aber du selbst hast ihr doch den Brief von Leander gegeben. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen«, protestierte Aislinn.
Eugenie seufzte noch einmal. »Den Brief hat ein Anwalt im Osten geschrieben, der dafür seit Jahren bezahlt wird.«
Aislinn presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen und holte tief Luft. Sie konnte es nicht fassen. Den Geliebten, von dem Dorrie träumte, für den sie lebte - gab es gar nicht. Er war eine Tä u sch ung, war Lug und Trug. Aber gleichzeitig waren Dorries Erwartungen an diesen Geliebten ganz real. »Willst du damit etwa sagen, daß Dorrie verrückt ist?«
»Ein bisschen seltsam vielleicht«, erwiderte Eugenie milde. »Aber sie ist schließlich nicht die erste alte Jungfer, die sich eine Traumwelt erschaffen hat.«
Aislinn biß sich auf die Unterlippe. Sie fühlte sich miserabel.
»Was hast du plötzlich?« fragte Eugenie.
»Dorrie weiß nicht, daß sie in einer Traumwelt lebt. Für sie ist es Realität, daß Leander kommt. Sie ist schon dabei, ihre Koffer zu packen.«
»Liebes Lottchen!« murmelte Eugenie. »Ich rede am besten sofort mit ihr und stelle die Dinge klar, so schmerzhaft sie auch sein mögen. Ich hätte wahrscheinlich schon viel früher eingreifen müssen, aber Dorrie war so am Boden zerstört, als ihr Vater sie wieder nach Prominence zurückgeholt hatte, daß ich glaubte, ihr zu helfen, indem ich den Postillion d'amour gespielt habe.« Eugenie stand auf, um sofort zu Dorrie zu gehen, aber in diesem Augenblick rief die Köchin nach ihr.
»Komm schnell, Eugenie! Eins deiner Mädchen ist krank. Sie hat sich übergeben, und ich fürchte, daß sie schwanger ist.«
Eugenie war hin- und hergerissen, aber natürlich muss te sie sich erst einmal um die Probleme im Hotel kümmern. Mit Dorrie würde sie dann später reden.
Mit grimmigem Gesicht machte sich Aislinn auf den Weg zum Laden, denn sie wollte Klarheit haben. Zum Glück war Dorrie nicht im Verkaufsraum. Cornelia nahm gerade von einer müde aussehenden Frau in einem farblosen Kleid das Geld für einen Zehn-Pfund-Sack Mehl und ein paar Büchsen Fleisch entgegen. Ein Mann in
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