Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
Sir.«
»Hören Sie auf, mich >Sir< zu nennen«, befahl er. »Wir sind hier schließlich nicht auf einem Ball oder einem Wohltätigkeits-Kränzchen. Hier auf dem Lande geht man formlos miteinander um. Woher kommen Sie eigentlich?«
Sie seufzte. »Aus Minnesota.«
»Sie haben diese Schafherde nur mit Hilfe eines Hundes den ganzen weiten Weg von Minnesota bis hierher getrieben?« fragte er ungläubig, aber auch ein wenig bewundernd.
In diesem Moment lächelte sie, und wenn Tristan sie besser gekannt hätte, hätte er ihr nun ein großes Kompliment gemacht. Er war drauf und dran, seinen Stuhl umzudrehen und in seiner Lieblingsstellung - mit der Lehne nach vorne und aufgestützten Armen - ihr gegenüber Platz zu nehmen. »Die Schafherde habe ich erst in Butte, Montana, übernommen«, erklärte sie. Das Lächeln verschwand so schnell wieder aus ihrem Gesicht, wie es dort erschienen war - und Tristan vermisste dieses Lächeln fast schmerzlich. »Mein Onkel lebte in Butte und ließ mich zu sich kommen, denn er war mein einziger noch lebender Verwandter. Als ich in Montana ankam, war er allerdings schon tot.«
»Das tut mir leid«, sagte Tristan, und er meinte es ehrlich. Er selbst hatte ja auch nur einen Blutsverwandten, und obwohl er Shay erst vor einem Jahr kennengele rn t hatte, wagte er nicht daran zu denken, wie groß sein Schmerz sein würde, wenn er seinen Bruder verlieren würde. Erst als Emily jetzt den Blick senkte, wurde ihm bewusst , daß er ihre Hände auf dem Tisch ergriffen hatte.
Sie zog sie zurück, aber langsam und ohne Hast. »Ihren Beweis?«
Tristan wusste im Augenblick nicht, wovon sie eigentlich sprach-. »Ich bitte um Entschuldigung.«
Emily tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Papiere. »Sie behaupten, daß Sie der Eigentümer dieses Landes sind. Ich würde gerne sehen, worauf Sie diese Behauptung stützen, Sir ... äh ... Mr. Saint-Laurent.«
»Tristan«, verbesserte er sie und stand auf. »Reden Sie mich doch bitte mit meinem Vornamen an, denn ich habe die feste Absicht, Emily zu Ihnen zu sagen.«
Wieder wurde sie ein bisschen rot, aber sie ließ ihm diese kühne Bemerkung durchgehen.
Tristan lächelte leise in sich hinein, als er durch den Raum zu einem Tisch ging, der nahe beim Kamin stand. Das war besonders an kühlen Winterabenden angenehm, denn diesen Tisch benutzte Tristan als Schreibtisch. Er nahm aus der einzigen Schublade ein Dokument - die Abschrift des Originals, das im Tresor der Bank aufbewahrt wurde - und ging damit langsam zu Emily zurück. Vor dem Haus blökten die Schafe, als ob sie zum Schlachter gebracht würden, was wahrscheinlich die beste Lösung wäre, denn Schafzucht und Rinderzucht vertrugen sich nicht, und in diesem Teil des Landes züchtete man nun einmal kräftige Rinder und keine stinkenden Woll-Lieferanten.
Emily las das Dokument Wort für Wort durch und wurde immer blasser. Dann atmete sie tief durch. »Glauben Sie, daß Mr. Cummings meinen Onkel betrogen hat?« Die Uhr auf dem Kaminsims tickte leise vor sich hin.
Tristan wusste nur, daß er der rechtmäßige Eigentümer dieser Ranch war. Als er Emily Starbuck anschaute, die in ihren zu großen Männerkleidem so verloren wirkte und die ein heißes Bad und eine herzhafte Mahlzeit von Aislinn sicher nötiger hatte als er selbst, tat es ihm fast ein wenig leid, daß die Gesetzeslage so war. »Möglich«, meinte er schulterzuckend. »Cummings wäre nicht der erste Mann im Westen, der seine Schulden >bezahlt<, indem er ein Grundstück verpfändet und überschreibt, das ihm gar nicht mehr gehört.«
Emily sackte ein bisschen in sich zusammen, und er war schon auf dem Sprung, um sie aufzufangen, falls sie ohnmächtig werden würde, aber im nächsten Moment straffte sie die Schultern und richtete sich auf. »Wir werden diese Sache vor Gericht entscheiden müssen«, erklärte sie kämpferisch.
Tristan wies sie darauf hin, daß ihre Papiere erst sechs Monate später datiert waren als seine Kaufurkunde, aber er konnte sehen, daß selbst die Tatsache, daß er einen älteren Rechtsanspruch hatte, sie nicht umstimmen oder überzeugen konnte. »Ich habe oben in den Hügeln ein paar Acres Land, auf dem Sie Ihre Schafe weiden lassen können«, hörte er sich selbst mit rauer Stimme sagen. »Natürlich nur, bis diese Angelegenheit von einem Richter entschieden ist.«
Sie blickte ihn fest an, aber er wusste , daß sie in Wirklichkeit kurz davor war, zusammenzubrechen und in Tränen auszubrechen. Er hatte das Bedürfnis,
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