Leidenschaft in Rot
Genaues. Nur Gerüchte aus zweiter und dritter Hand. Aber Nancy Abbott spielt dabei eine Rolle. Die Lieblingstheorie unter Squeakies Freundinnen ist offenbar, daß Patty M’Gruder Nancy als Hausgast in Carmel beherbergte und sie praktisch als Gefangene dort hielt, weil sie ... Patty ... sich in Nancy verliebt hatte. Dieser Theorie nach hat Vance mitgespielt, weil er dadurch beweisen konnte, daß Patty den Ehevertrag unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingegangen war, indem sie ihre wahren Neigungen verheimlicht hatte. Vance hat Nancy ... Squeakie nannte sie ständig ›das arme, arme kranke Kind‹ ... benutzt, um den Beweis zu bekommen. Und als er ihn hatte, hatte Patty nichts mehr in der Hand, um sich gegen die Scheidung zu wehren. Alles wurde sehr diskret abgewickelt.«
»Das würde erklären, was Nancy mir nachgeschrien hat, daß Patty sie eingesperrt hätte.«
»Vermutlich ja. Patty ist weggegangen. Squeakies Ausdruck dafür war, sie hat sich verdrückt. Vor ein paar Wochen wurde sie in Las Vegas gesehen. Nicht in einem der großen Läden am Strip. In der Innenstadt, wo sie in einem Schuppen namens The Four Treys arbeitete. An der Wechselkasse, glaube ich. Irgend so ein kleiner Job. Dorthin würden sich sicher nicht viele alte Freunde verirren, die sie sehen könnten. Egal, Mrs. T. Madison Devlaney hat nichts von irgendwelchen Bildern gewußt ... zumindest hat sie nichts davon gesagt. Ich hatte Glück, daß ich sie angetroffen habe. Sie und ihr Mann und noch ein Paar fliegen diese Woche nach Hawaii. Die ganze Gruppe scheint von Hawaii begeistert zu sein. Die Devlaneys haben ein Boot dort liegen.«
»Das haben Sie sehr gut gemacht, Dana.«
»Danke. Sie haben ein wunderschönes Heim. Sie hat sich schrecklich betrunken. Haben Sie eigentlich etwas herausgefunden?«
»Ich weiß nicht recht. Ich bin einem Mann auf die Spur gekommen, der die Bilder gemacht haben könnte. Aber der lebte dreihundert Meilen weit entfernt. Es sieht so aus, als hätte M’Gruder die Aufnahmen in Auftrag gegeben. Davon können wir, glaube ich, ausgehen, zumindest zur Zeit. Aber ich habe keinen Beweis für einen Kontakt zwischen M’Gruder und dem Fotografen. Eine Sache macht mich allerdings fast sicher, daß ich den Richtigen erwischt habe. Er ist tot.«
»Wie bitte?«
»Nehmen wir mal an, aus Spaß oder zur Erinnerung oder aus sonst einem Grund hat er einen Satz der Abzüge selbst behalten. Dann ist er gestorben. Die Bilder bekommt jemand in die Finger, der ...«
»Natürlich.«
»Sein Name war wahrscheinlich D. C. Ives. Und er hat wahrscheinlich in Santa Rosita gewohnt. Wir werden ihn auf einen primitiven britischen Akzent hin überprüfen, und wenn ja, dann sieht die Sache schon sicherer aus.«
»Tun wir das als nächstes?«
»Mit einem Zwischenstopp, denke ich.«
Neun
An einem klaren, kalten Dienstagmorgen kletterte ich den Rückhang des Kliffs hinauf. Die Brandung rauschte in stetigem Dröhnen gegen den Fels. Ich streckte die Hand aus, packte den dürren Stamm eines vom Wind zerzausten Baums und zog mich hoch, damit ich über den Grat an der Spitze schauen konnte. Überrascht hätte ich mich fast geduckt. Ich hatte nicht erwartet, daß die Sonnenterrasse der Chipmans so nah sein würde. Ich schaute in einem Winkel von etwa dreißig Grad auf sie hinab. Vielleicht wirkte sie dadurch näher. Aber sie lag schätzungsweise hundert Meter entfernt. Eine besondere Ironie fügte es, daß sich auf der Terrasse eine nackte Frau befand. Sie lag ausgestreckt auf einer ausgebleichten blauen Matratze. Die Mauer schirmte sie etwas von dem Westwind ab, und sie hatte zusätzlich einen Windschutz aus glänzendem Metall aufgestellt, der die Sonnenwärme verstärken sollte. Sie besaß eine Walkürenfigur, eine imposante Frau, der Körper braun wie Kaffeebohnen, das Haar weizenblond gebleicht, Schenkel wie Bierfässer, Schultern wie Sonny Liston. Ich nahm an, es handelte sich um Mrs. Chipman, die liebe Freundin, die Carl das Haus für sein Rendezvous mit der Berühmtheit geliehen hatte. Es war seltsam, die Terrasse in so lebhaften Farben zu sehen, nachdem ich sie schon so oft in schwarzweiß gesehen hatte. Die Frau hatte mir das Gesicht zugewandt. Auf dem Betonboden neben der Matratze stand ein halbes Glas Tomatensaft.
Es gab keinen einzigen anderen Ort, von dem aus man die Terrasse hätte einsehen können. Sie hatte allen Grund, sich unbeobachtet zu fühlen. Ich wich zurück außer Sicht, drehte mich um und schaute nach unten. Ich konnte
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