Leidenschaft und Pfefferkuchen
Schnappschüssen von Darcy sah sie müde und abgemagert aus. Aber die Liebe zwischen den Geschwistern leuchtete unverkennbar aus ihren Gesichtern.
Mark schloss das Buch und legte es zurück auf den Couchtisch. Er lehnte sich zurück und strich sich übers Gesicht. Darcy war nicht zu vergleichen mit Sylvia. Er hätte sich nicht mehr in ihr täuschen können.
Und jetzt ist sie weg.
Er versuchte, sich einzureden, dass es besser so war. Er brauchte sie nicht in seinem Leben. Er wollte niemanden. Das Experiment, lediglich gute Freunde zu sein, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Er musste sich natürlich bei ihr entschuldigen, aber ansonsten war es besser, wenn sie einfach wieder zu Nachbarn wurden, die sich von Weitem zunickten, wenn sie einander zufällig über den Weg liefen. Er war überzeugt, dass sie nicht lange brauchte, um über ihn hinwegzukommen. Ihr Zorn würde ihr helfen. Und was ihn anging, er musste sich gar nicht erst erholen – er war schließlich nie wirklich involviert gewesen.
Seltsamerweise war der Schmerz in seinem Knöchel nichts im Vergleich zu dem dumpfen Pochen in seinem Herzen.
Darcy ignorierte die Pfefferkuchenteile, die in ihrer Küche immer noch darauf warteten, zusammengebaut zu werden. Sie lief durchs Wohnzimmer und über den kurzen Flur in ihr Schlafzimmer. Dort warf sie sich aufs Bett, drückte sich ein Kissen an die Brust und wartete darauf, dass die Tränen zu laufen begannen, die in ihren Augen brannten.
Verärgerung und Verwirrung kämpften in ihr. Bisher war kein klarer Sieger zu erkennen. Sie war so wütend auf Mark, dass sie ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte. Sie wollte ihn anschreien und eine Erklärung fordern. Woher nahm er sich das Recht, sie für etwas zu verurteilen, mit dem sie nicht das Geringste zu schaffen hatte? Wie konnte er es wagen zu denken, dass sie in etwas Illegales verwickelt war? Es tat so weh! Er war aus ihrem Leben verschwunden, und seine Abwesenheit hinterließ eine richtig große Lücke.
Sie redete sich ein, dass es ihr nicht so viel ausmachen dürfte, dass es sich bei Mark lediglich um einen Fall von mangelndem Urteilsvermögen handelte. Und vielleicht lag es ja an seinem Beruf als Detective, dass er so eine schlechte Meinung von ihr hatte. Das Schlimmste von seinen Mitmenschen anzunehmen gehörte zu seinem Job. Aber irgendwie konnte diese Erklärung nicht überzeugen. Er hatte nicht von allen schlecht gedacht, sondern nur von ihr.
Sie drehte sich auf die Seite und zog das Kissen mit sich. Obwohl sie sich so scheußlich fühlte, flossen keine Tränen. Die würden wahrscheinlich später kommen, wenn der Heilungsprozess begann. Vorläufig spürte sie nur diese Leere und kam sich furchtbar dumm vor, weil sie sich hochfliegende Träume gestattet hatte.
Darcy stand auf. Sie warf das Kissen aufs Bett und holte tief Luft. Wenn die letzten fünf Jahre sie etwas gelehrt hatten, dann war es die Maxime, stets nach vorn zu blicken, so entmutigend die Umstände auch gerade sein mochten. Sie hatte Aufträge zu erfüllen und ein Leben zu führen. Wenn Mark Kincaid unbedingt ein Ekel sein wollte, dann war das sein Problem, nicht ihres.
Vier Stunden später waren die beiden Pfefferkuchenhäuser fertig und in Kartons verpackt. Vorsichtig trug Darcy sie zusammen mit den drei anderen, die sie bereits am Vortag fabriziert hatte, zu ihrem Auto, dazu sieben Tüten mit Keksmischung. Als sie gegen vier Uhr nachmittags mit der Auslieferung begann, war sie froh, dass es inzwischen zu schneien aufgehört hatte.
Pünktlich um fünf bog sie in den Parkplatz des Hip Hop Café ein. Melissa North, die Besitzerin, war aus dem Urlaub zurück und wollte eine Kostprobe der Backwaren für die folgende Woche.
Darcy nahm eine Tüte mit Keksen, eilte zum Vordereingang und klopfte an die verschlossene Tür.
Von ihrem Standort aus sah sie zwei Personen im Gastraum stehen. Melissa, die auf Anhieb an der mittelgroßen Statur, dem schönen schwarzen Haar und den blitzenden blauen Augen zu erkennen war, unterhielt sich mit einem Mann, der sich bei genauerer Betrachtung als Josh Anderson herausstellte.
Melissa kam zur Tür und schloss auf. „Sie sind genau pünktlich.“ Sie lächelte und schnupperte. „Mm, das riecht aber köstlich.“
„Das sind Kekse. Das Pfefferkuchenhaus steht noch im Auto.“
„Ich hole es, wenn du willst“, bot Josh an.
„Danke, das ist lieb.“ Darcy trat beiseite, um ihn hinausgehen zu lassen.
Melissa wandte sich an Darcy.
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