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Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall

Titel: Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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sind.«
    »Legale Art und Weise«, wiederholte der Gerichtsmediziner mit unverhohlenem Spott in der Stimme. »Dass ich nicht lache. Glaubst du etwa ernsthaft, dass irgendeiner der Radfahrer, die du gleich befragen wirst, nicht dopt? Dann glaubst du wahrscheinlich auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.«
    Dr. Schönthaler hielt sich vor Lachen den Bauch. »Mann, bist du naiv!«
    Er zog einen Fettstift aus seinem Sakko, entfernte die Schutzkappe und schmierte sich damit kräftig die Lippen ein. Diese Marotte hatte den Charakter einer regelrechten Zwangsneurose, der er etwa alle zehn Minuten frönte. Grinsend hielt er Tannenberg den farblosen Lippenstift unter die Nase.
    »Dieser komische Turbofood-Sponsor hat garantiert auch solche scheinbar harmlosen Hautpflege-Artikel mit Dopingsubstanzen versetzt«, posaunte er grinsend hinaus.
    »Nicht so laut, Mann«, schimpfte Tannenberg. »Wenn das einer hört.«
    »Na und? Dann sollen sie mich doch verklagen. Solange ich nicht vor einem Ami-Richter stehe, kann mir gar nichts passieren.«
    »Dopingmittel in Fettstiften? Du spinnst doch!«
    »Und du hast mal wieder keine Ahnung – wie meistens! Erinnerst du dich denn nicht mehr an das Dopingverfahren gegen Dieter Baumann, in dessen Zahnpasta das Anabolikum Nandrolon entdeckt wurde?«
    Unmittelbar nachdem der Name gefallen war, erinnerte sich Tannenberg an diesen spektakulären Fall, bei dem der Athlet immer wieder seine Unschuld beteuert hatte. Während er mit betretener Miene Mertel dabei beobachtete, wie er die Fahrradkette in einem Asservatenbeutel verstaute, legte Dr. Schönthaler nach:
    »Es kann durchaus sein, dass auch solche Fettstifte mit Dopingmitteln angereichert sind. Aber eben mit solchen Substanzen, die unsere hinterwäldlerischen Labors noch nicht nachweisen können. Und wenn sie irgendwann einmal dazu in der Lage sein sollten, haben die anderen schon längst wieder Substanzen entwickelt, die eben nicht nachweisbar sind.
    Was meinst du wohl, welche geheimen Forschungsprojekte in den Hochsicherheitslabors der amerikanischen Pharmakonzerne und Biotec-Firmen ablaufen? Garantiert keine, deren Sinn darin besteht, neue Rezepturen für Hunde- und Katzenfutter zu entwickeln.«
    Er seufzte resigniert. »Nein, Wolf. Es ist wie bei der Geschichte von dem Hasen und dem Igel. Egal, wie sich der Hase abrennt, der Igel ist immer schon vor ihm im Ziel. Ich vermute mal tollkühn, dass gerade die Amis mit ihren riesigen Genforschungs-Etats bereits seit einigen Jahren ihren Spitzensportlern durch Gen-Doping die entscheidenden Wettbewerbsvorteile verschaffen.«
    Dr. Schönthaler cremte nochmals seine Lippen mit dem Fettstift ein. »Gen-Doping hat gegenüber den herkömmlichen Dopingmethoden übrigens entscheidende Vorteile. Erstens brauchen die Sportler keine illegalen Substanzen mehr einzunehmen, denn diese Art von Doping wirkt direkt aus dem Körper heraus. Und zweitens sind diese leistungssteigernden Manipulationen für Dopingfahnder nicht nachzuweisen.«
    Ungläubig betrachtete Tannenberg seinen besten Freund. »Und diese geheimen Forschungslabors kontrolliert niemand?«
    »Ja, wer denn, Wolf?«, stieß Dr. Schönthaler stakkatoartig aus. »Wer sollte denn ein Interesse daran haben? Staatliche Behörden etwa? Nein, die drücken doch beide Augen zu. Übrigens nicht ohne Grund, denn dieses Wohlverhalten bekommt der Staat von den bis unter die Haarspitzen gedopten Athleten in Form von repräsentativen Goldmedaillen und Weltrekorden zurückgezahlt. Welche Staatsführung sollte nicht daran interessiert sein, auf diese Weise ihr Renommee aufzupolieren und die Bevölkerung mit Stars zu versorgen, die die Menschen dann anbeten können? Um einen berühmten Karl-Marx-Spruch abzuwandeln: Nicht Religion ist Opium fürs Volk – nein, heutzutage erfüllt diese Narkotisierungsfunktion der Sport! Sport ist der moderne Religionsersatz.«
    Tannenberg brummte nachdenklich. »Wie funktioniert Gen-Doping eigentlich?«
    »Na ja, aus medizinischer Sicht ist das schon eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Etwas verkürzt zusammengefasst funktioniert Gen-Doping in etwa folgendermaßen: Man entnimmt dem Körper des Sportlers Zellen und manipuliert das darin enthaltene Erbgut. Diese veränderten Zellen spritzt man dem Betreffenden wieder zurück in den Körper, wo diese neuen Gen-Informationen von den Zellen aufgenommen und verarbeitet werden. Die leistungsfördernde Substanz, zum Beispiel Epo, muss man dann nicht mehr spritzen, sondern diese

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