Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
sorgte dagegen für ausgesprochene Heiterkeit unter den nebenberuflichen NADA-Mitarbeitern. In den 60er-Jahren hatte ein Rennfahrer seine Urinprobe mit den Worten zurückerhalten: »Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger.«
Der Radsportler hatte schlichtweg vergessen, dass seine Frau bei ihrer Urinspende im fünften Monat schwanger gewesen war.
Marieke und zwei ihrer Kommilitonen machten sich gemeinsam mit einem hauptberuflichen Institutsmitarbeiter auf den Weg zum Antonihof. Die Autofahrt führte die vier Dopingkontrolleure zunächst über die Rothe Hohl stadtauswärts. Hinter dem Aschbacherhof folgte der dunkelblaue VW Golf der Landesstraße 503, die sie durchs Hirschsprungtal und dann die Anhöhe hinauf zum Waldhotel Antonihof leitete.
Marieke staunte nicht schlecht, als sie mitten auf dem Hotelparkplatz ihren Onkel Wolfram aus dem silbernen Dienstmercedes des K 1 aussteigen sah. Tannenberg war ebenso überrascht, hier an diesem Ort auf seine Nichte zu treffen. Marieke hatte zwar im Kreis der Großfamilie über ihren neuen Nebenjob bei der NADA berichtet, ihren konkreten Einsatzort jedoch verschwiegen – und hatte damit nichts anderes getan, als eine zentrale Grundregel der NADA zu befolgen, nach der die Mitarbeiter zur strikten Diskretion verpflichtet sind.
»Ja, was machst du denn hier?«, fragte Tannenberg verwundert.
Als Marieke die verdutzte Miene des neben ihr sitzenden akademischen Oberrates sah, klärte sie ihn flüsternd über Person und Beruf ihres Onkels auf. Der Biochemiker stieg daraufhin aus seinem Auto und bat den Kriminalbeamten, ein paar Schritte mit ihm zu gehen. Dabei erläuterte er ihm das geplante Vorhaben.
»Daraus wird heute wohl leider nichts werden«, ließ der Chef-Ermittler mit abgesenkter Stimme verlauten. »Die Herrschaften werden dafür heute wahrscheinlich keine Zeit mehr haben, denn alle Rennfahrer werden gleich nacheinander ausführlich befragt und anschließend erkennungsdienstlich behandelt.«
»Und morgen?«, fragte sein Gegenüber mit besorgter Miene.
»Bis dahin könnten wir einigermaßen durch sein.«
»Gut, dann kommen wir eben morgen wieder«, beschloss der Humanbiologe. »Am besten verschwinden wir jetzt gleich, bevor diese Leute noch den Braten riechen. Und Sie bewahren mir bitte striktes Stillschweigen bezüglich unserer geplanten Aktion.«
»Selbstverständlich. Sie können sich darauf verlassen. Ich kann schweigen wie ein Grab.«
4. Etappe
Kurz nachdem der VW Golf mit den Dopingkontrolleuren den Parkplatz verlassen hatte, erschien der Kleinbus der Kriminaltechnik vor dem Waldhotel. Mertel und seine Mitarbeiter scharten sich um Tannenberg und berieten kurz über ihr weiteres Vorgehen. Da knatterte auch schon der Gerichtsmediziner mit seinem laubfroschgrünen 2 CV in bedenklicher Seitenlage um die Kurve und kam mit quietschenden Reifen direkt vor den Füßen seines besten Freundes zum Stillstand. Der bedachte ihn mit einem Scheibenwischergruß und folgte Sabrina und Michael Schauß ins Gebäude.
Dort empfing sie ein Streifenbeamter, der den Mitarbeitern der Mordkommission einen Überblick über den bisherigen Ermittlungsstand verschaffte. Demnach hatte eine Reinemachefrau vor etwas über einer halben Stunde in einem zur Fahrradwerkstatt umfunktionierten Kellerraum den Leichnam eines älteren Mannes entdeckt. Aufgrund seiner Ausweispapiere konnte dieser als Joop van der Miel, Chef-Mechaniker des Turbofood-Rennstalls, identifiziert werden.
»Diese Radsportmannschaft ist erst gestern Morgen im Hotel Antonihof zu einem Trainingslager eingetroffen«, erläuterte der uniformierte Polizist. Nach einem Räuspern präzisierte er: »Besser gesagt zu einem Spezialtraining als Vorbereitung auf die Tour de France, die ja schon bald gestartet wird.«
»Ja, ich weiß. Bei diesem Team ist doch der dauergedopte Ami, dieser Bruce Legslow sportlicher Leiter, stimmt’s?«
»Nicht so laut!«, zischte der Polizeibeamte. »Wenn der das hört, verklagt er Sie sofort.«
»Ist aber doch wahr«, beharrte Tannenberg auf seiner Meinung. »Sonst hätte der doch nie und nimmer viermal hintereinander die Tour de France gewinnen können.«
»Bis jetzt konnte ihm aber niemand etwas nachweisen.«
»Ist im Moment ja auch egal«, beendete der Leiter des K 1 dieses Thema. »Haben Sie die ehrenwerten Herrschaften inzwischen zusammengetrommelt?«
»Ja, sie halten sich alle im großen Speisesaal auf. Mein Kollege ist bei ihnen. Wir haben auch schon alle Personalien der
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