Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Rezeption traf er auf Sabrina und Michael, die gerade den Empfangschef befragten. Um ungestört ihre Informationen austauschen zu können, verzogen sich die Kriminalbeamten in ein Nebenzimmer.
»Die Putzfrau hat außer dem Toten nichts Außergewöhnliches bemerkt, weder eine verdächtige Person noch irgendwelche auffälligen Geräusche oder sonst irgendetwas Besonderes«, eröffnete Sabrina ihrem düster dreinblickenden Vorgesetzten.
»War die Tür abgeschlossen?«
»Nein, sie war zwar zu, aber nicht abgeschlossen.«
Tannenberg legte die Stirn in Falten. »Also konnte man sie von außen öffnen, ohne Schlüssel, nur mit der Klinke?«
»Ja.«
»Scheibenkleister! Dann konnte also jeder in den Kellerraum rein«, murmelte Tannenberg und strich sich nachdenklich übers Kinn.
»Und nach dem Mord durch die aufgebrochene Kellertür verschwinden«, meinte Michael.
»Wo kommt man von dort aus eigentlich hin?«
»Von der Kellertreppe aus führt ein Asphaltweg ums Hotel herum zum Parkplatz. Man gelangt aber auch direkt in den Wald.«
»Okay. Um welche Uhrzeit hat die Putzfrau den Toten entdeckt?«
»Es war kurz nach sieben.«
»Wenn die Schätzungen unseres Docs zutreffen, wurde der Mann zwischen vier und sechs Uhr erdrosselt«, sagte der Chef-Ermittler mehr zu sich selbst. »Dann war alles schon eine Weile vorbei, als die Putzfrau ihn gefunden hat. Kein Wunder, dass ihr nichts aufgefallen ist.«
Er wandte sich an seinen jungen Mitarbeiter. »Hat sie die aufgebrochene Außentür erwähnt?«
»Nein, sie war nur im vorderen Bereich des Kellers und ist nach dem Leichenfund sofort hoch zur Rezeption gerannt.«
»Aber warum hat der Mann im Keller geschlafen und nicht in einem der Hotelzimmer?«, fragte Sabrina.
»Vielleicht wollte er die Rennmaschinen bewachen.« Quatsch, korrigierte sich Tannenberg in Gedanken. Wer sollte denn mitten im Pfälzer Wald Rennräder klauen? »Womöglich war das einfach nur eine Marotte von ihm«, sagte er deshalb. »Was ist mit den anderen Gästen?«
»Bis jetzt nichts, absolut nichts«, bemerkte Michael Schauß. »Sie behaupten alle, dass sie geschlafen hätten.«
»Macht man ja wohl auch gewöhnlich um diese Uhrzeit. Mal was anderes: Existiert nur dieser eine Zugang zum Keller? Also, an der Rezeption vorbei?«
»Nein, man kann auch noch über einen anderen Weg dorthin gelangen. Direkt von den Hotelzimmern über ein zweites Treppenhaus. Ist auch sinnvoll, denn im Keller befindet sich der Wellnessbereich.«
»Und da wäre natürlich auch noch der Weg über die aufgehebelte Kellertür«, brummelte Tannenberg. Er putzte sich trompetenartig die Nase. »Aber ich weiß nicht …«
»Glaubst du, der Täter war einer seiner Kollegen? Und die aufgebrochene Tür ist nur eine Finte?«
Tannenberg lupfte die Schultern und schaute sich ratlos um. »Wer weiß. Irgendwie hab ich ein komisches Gefühl.«
»Du und deine Gefühle«, konnte sich Sabrina nicht verkneifen.
»Was ist damit?«, versetzte ihr Chef mit bedrohlichem Unterton.
»Ach, nichts.«
»Sonst noch was, liebes Sabrinalein?«
»Ja. Ich habe die Putzfrau nach Hause geschickt«, entgegnete die junge Kommissarin. »Die Arme war völlig fertig. Ist das okay?«
»Klar.«
»Sie kommt heute Nachmittag zu uns. Dann kannst du selbst mit ihr sprechen.«
»Gut. Und das andere Hotelpersonal?«
»Von dem Portier habe ich erfahren, dass alle Hotelbediensteten, die heute Nacht Dienst hatten, routinemäßig um sieben Uhr abgelöst wurden. Die Leute schlafen wahrscheinlich jetzt tief und fest. Aber ich denke, wenn irgendjemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen wäre, hätte er seine Beobachtungen sicherlich direkt an die Ablösung weitergegeben.«
»Trotzdem lasst ihr beide euch die Adressen geben und holt die Leute aus den Federn. Wir müssen diese Frage zügig abklären. Und verständigt Geiger. Er soll hierherkommen und die Hotelgäste nochmals befragen.«
Mit dem Zeigefinger wies er über die Schulter zum Speisesaal hin. »Wenn die da drinnen auf Anordnung Legslows total dichtmachen, müssen wir uns eben auf anderem Wege Hinweise auf den Täter beschaffen.«
»Diese Turbo-Fuzzis werden wohl ihre Gründe für diese strikte Verweigerungshaltung haben«, meinte Michael.
»Ja, das vermute ich auch – nur welche?«
5. Etappe
Etwa eine halbe Stunde später traf eine schwere Oberklassen-Limousine mit Frankfurter Kennzeichen vor dem Waldhotel Antonihof ein. Kriminalhauptkommissar Wolfram Tannenberg saß zu diesem Zeitpunkt wartend in
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