Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
blendend gelaunte BKA-Abteilungsleiter, wobei er dieses Wort wie einen Kaugummi in die Länge zog, »mein lieber Herr Hauptkommissar, ich möchte Sie zu uns nach Wiesbaden einladen.«
»Warum um alles in der Welt sollte ich denn ausgerechnet solch einen Horrortrip unternehmen?«
»Weil sich in unserem Fall … Ich nenne ihn jetzt einfach mal so, obwohl Sie bestimmt einen gehörigen Groll auf uns hegen, schließlich hat das BKA Ihnen den Fall entzogen. Nebenbei bemerkt: Dieser brutale Eingriff in Ihre Arbeit macht mir keinen Spaß – auch wenn Sie mir das garantiert nicht abnehmen werden.«
»So ist es«, raunzte der Leiter des K 1.
»Aber die berühmten Sachzwänge machen oft gewisse harte Entscheidungen leider unumgänglich«, schob Wagner entschuldigend nach. Erst nachdem er sich geräuspert hatte, fuhr er fort. »Im Turbofood-Fall hat sich vor Kurzem eine geradezu sensationelle Wende ergeben, die uns alle sehr überraschte. Genauso wird es Ihnen übrigens auch ergehen, wenn wir Sie nachher mit den neuen Fakten konfrontieren. Dazu müssten Sie allerdings sofort zu uns kommen.«
Tannenberg stand vor einem schier unlösbaren Problem: Auf der einen Seite platzte er fast vor Neugierde, auf der anderen Seite war er wegen der Entziehung des Falles immer noch zutiefst beleidigt. Dazu kam, dass er diese Behörde hasste wie der Teufel das Weihwasser. Unschlüssig, was er nun tun sollte, kniff er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und ging ein paar Schritte.
Heribert Wagner schien sein Problem zu erahnen. »Na los, geben Sie sich einen Ruck und überwinden Sie für ein paar Stunden Ihre Aversion gegenüber dem Bundeskriminalamt«, versuchte er ihn zu dieser Exkursion zu motivieren. Da sein verstummter Gesprächspartner jedoch weiterhin nicht reagierte, schob er geschwind nach: »Es lohnt sich wirklich. Das verspreche ich Ihnen.«
Tannenberg dachte mit einem Gedankensplitter daran, wie er heute Morgen beim Frühstück seinen neugierigen Vater exakt mit demselben Köder, nämlich der angeblich sensationellen Wende in seinem Fall, geärgert hatte.
»Oder steht Ihnen vielleicht gerade kein Dienstwagen zur Verfügung?«, quäkte es aus dem kleinen Lautsprecher.
Der Leiter des K 1 gab sich nun den geforderten Ruck. »Also gut, von mir aus. Ich bin in einer guten Stunde bei Ihnen.«
»Wunderbar! Freue mich sehr, Sie endlich wiederzusehen.«
Ich nicht, du aufgeblasener Profilneurotiker, dachte Tannenberg bei sich und legte ohne Abschiedsgruß auf. Anschließend informierte er in wenigen Sätzen seine Mitarbeiterin und kehrte mit Sabrina im Schlepptau zurück zu Florian Scheuermanns Eltern, die ihn bereits ungeduldig erwarteten.
»Was sollen wir jetzt nur tun?«, bestürmte ihn sogleich Florians Vater.
»Haben Sie bereits eine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
Beide schüttelten den Kopf.
»Dann, denke ich, sollten Sie dies nun gemeinsam mit meiner Kollegin nachholen. Normalerweise warten wir zwar immer erst mindestens eine Nacht ab. Denn bis dahin haben sich die meisten der vermissten Personen bereits wieder bei ihren Angehörigen gemeldet. Aber in Ihrem speziellen Fall warten wir damit nicht so lange, sondern erledigen das am besten gleich.«
»Danke, Herr Kommissar«, schniefte Monika Scheuermann.
»Schreiben Sie bitte meiner Kollegin Ihre Handynummern auf. Wir melden uns sofort bei Ihnen, wenn wir etwas Neues erfahren. Ich muss jetzt leider dringend weg«, sagte der Leiter des K 1 und drückte Florians Eltern die Hand. »Bitte machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Ihr Sohn hat sich bestimmt nur irgendwo verkrochen und wird sich schon bald wieder bei Ihnen melden.«
»Glauben Sie das wirklich?«, jammerte Florians besorgte Mutter.
»Ja, natürlich«, log der Kriminalbeamte, denn seine Intuition sandte ihm ganz andere Signale.
»Sie werden meinen armen Jungen doch nicht etwa ermordet haben«, wimmerte Monika Scheuermann mit tränenerstickter Stimme.
Sie sprach damit exakt Tannenbergs momentanen Gedanken aus.
18. Etappe
Auf der A 63 trat Tannenberg das Gaspedal seines alten BMW bis zum Anschlag durch. Auf diese Weise erreichte er tatsächlich nach einer guten Stunde Fahrzeit das Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Entgegen seiner pauschalen Vorurteile gegenüber den Mitarbeitern dieser Behörde behandelte ihn der junge Beamte, welcher ihn in der Eingangshalle erwartete, sehr höflich und zurückhaltend.
Ihr albernen Lackaffen könnt euch nicht verstellen. Ihr könnt euch anstrengen, wie ihr wollt,
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