Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
Rest konnte sie nicht aussprechen. Sie warf die Hände vors Gesicht und schluchzte bitterlich.
Florians Vater putzte sich die Nase. »Vor gut drei Monaten hat seine Freundin mit ihm Schluss gemacht.« Er seufzte leidend. »Da haben wir uns auch schon große Sorgen um ihn gemacht.«
»Wie hat er denn damals reagiert?«
Klaus Scheuermann verwirrte diese Frage, denn er schaute sein Gegenüber mit einem leeren, fragenden Blick an.
»Reagiert?«, wiederholte er. »Auf diese Abfuhr hat er überhaupt nicht reagiert, jedenfalls nicht gegenüber seiner langjährigen Freundin.«
»Das war ja das Schlimme«, warf seine Mutter ein.
»Uns hat Florian gar nichts davon gesagt. Erst als er sich total zurückgezogen und kaum mehr etwas gegessen hat, haben wir gebohrt. Und dann hat er es uns schließlich gestanden.« Klaus Scheuermann stöhnte. »Man konnte es kaum mit ansehen. Er hat unter dem Verlust gelitten wie ein Hund. Wenn er seinen Sport nicht gehabt hätte …« Wieder verlor sich der Satz im Nichts.
»Waren Sie eigentlich schon in der Stadt und haben die Mannschaftskameraden und Betreuer Ihres Sohnes aufgesucht?«, nutzte Tannenberg die entstandene Pause für eine naheliegende Frage.
»Ja, das haben wir natürlich getan, bevor wir hierher zu Ihnen gekommen sind«, erwiderte Florians Vater. »Aber die Leute aus seinem Team wissen angeblich auch nicht, wo er abgeblieben ist.«
Die Tür öffnete sich und Sabrina erschien im Türrahmen. »Wolf, kann ich dich bitte mal kurz sprechen?«, bat sie mit ernster Miene.
Tannenberg verließ sein Büro und schloss die Tür. »Was gibt’s denn so Wichtiges?«, fragte er verwundert.
Die junge Kommissarin wies mit dem Kinn auf Petra Flockerzies Schreibtisch, wo neben der Telefonanlage der Hörer lag.
»Das BKA«, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand. »Da will dich einer sofort sprechen. Es sei sehr dringend.«
Tannenberg verzog sein Gesicht zu einer abschätzigen Grimasse. »Was wollen die denn von mir? Sie haben doch bereits alle unsere Unterlagen. Oder hast du sie ihnen etwa noch nicht zugefaxt.«
»Natürlich hab ich das, Wolf«, erwiderte Sabrina mit unüberhörbar verschnupftem Unterton. »Gestern schon.«
»Entschuldige, sollte kein Vorwurf sein.«
»Kam aber so an«, grummelte seine Mitarbeiterin.
»Hab Nachsicht mit einem ungehobelten alten Recken, oh holde Maid«, fabulierte ihr Vorgesetzter, Trauzeuge und väterlicher Freund. Dazu presste er die Handflächen wie betend aneinander. »Bitte, vergib mir.« Sabrina erteilte ihm schmunzelnd die Absolution. Erleichtert begab sich der Gescholtene zum Schreibtisch seiner Sekretärin und nahm den Hörer auf. »Hauptkommissar Tannenberg«, meldete er sich.
»Da sind Sie ja endlich, mein Lieber. Wo haben Sie denn gesteckt?«, begrüßte ihn eine freundliche Männerstimme.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?«, knurrte Tannenberg wie ein aggressiver Kettenhund in den Hörer hinein.
»Hier spricht Heribert Wagner.«
Als Tannenberg diesen Namen hörte, verspürte er sogleich einen schneidenden Schmerz in der Magengegend. Er war mit diesem BKA-Beamten bei seinem ersten Fall zusammengetroffen, oder besser gesagt: mehrfach mit ihm kollidiert.
Während er geräuschvoll Atem schöpfte, fragte die sonore Stimme: »Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«
»Ein bisschen schon«, entgegnete Tannenberg, der den anfänglichen Schock bereits ein wenig verdaut hatte. »Ist ja auch kein Wunder, denn wann wird einem kleinen Provinz-Bullen wie mir schon einmal die Ehre zuteil, von einem Leitenden Kriminaloberrat in Diensten des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz angerufen zu werden«, frotzelte er.
Mit einem Mal war alles wieder da: Das Gesicht des unsympathischen und arroganten Beamten, der ständig ungefragt seinen Dienstrang betonte, die fehlgeschlagene LKA-Aktion und so weiter und so fort.
Wagner lachte schallend auf. »Wie ich höre, haben sie Ihren Humor glücklicherweise noch nicht verloren.«
»Wieso eigentlich BKA? Beim letzten Mal waren Sie doch noch beim LKA, oder täusche ich mich da?«
»Nein, nein, Sie erinnern sich richtig. Aber wissen Sie, das Bundeskriminalamt ist immer auf der Suche nach Spitzenkräften. Und da kam …«
Arroganter Affenarsch!, schimpfte der Kaiserslauterer Chef-Ermittler im Stillen, behielt aber seine Gedanken für sich. Stattdessen fuhr er Wagner in die Parade, indem er die schon einmal gestellte Frage wiederholte: »Was wollen Sie von mir?«
»Also«, begann der offensichtlich
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