Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
korrigierte Wagner und erntete damit lediglich einen bösen Blick.
»Dazu muss ich ein wenig ausholen«, entgegnete Dr. Schneider. »Nach Joops Ermordung war es mir im Waldhotel zu heiß geworden. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, nicht mehr länger zu warten und mich sofort in Sicherheit zu bringen. Die Kontakte zu meinem Fernsehsender und zum BKA hatte ich bereits vor der Abfahrt des Teams ins Trainingslager geknüpft.«
»Und die lukrativen Exklusivverträge abgeschlossen«, polterte der Leiter des K 1 dazwischen.
»Selbstverständlich musste ich mein Risiko materiell absichern lassen«, gab der Arzt gelassen zurück. Ein süffisantes Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Schließlich musste ich mir ja irgendwo das Startgeld für unser neues Leben beschaffen. Das Bundeskriminalamt war dazu ja leider nicht in der Lage.«
»Zumindest nicht in der Höhe, die Ihnen vorschwebte«, berichtigte Wagner lächelnd. »Dafür statten wir Sie und Ihre Frau mit neuen Identitäten aus. Ist schließlich auch nicht zu verachten.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte der Sportmediziner. Dann wandte er sich wieder an Tannenberg. »Diese beiden wichtigen Dinge waren also die Prämissen, ohne die ich nie dieses extreme Risiko eingegangen wäre.«
»Haben Sie in dem Vertrag mit den Fernseh-Fuzzis auch geregelt, dass ein Double für Sie in die Kabine geht?«, fragte der Kaiserslauterer Ermittler.
»Ja. Deshalb auch die Inszenierung mit der Verkleidung und der verfremdeten Stimme.« Ein Seitenblick schwebte hinüber zu dem ranghohen BKA-Beamten. »Übrigens eine Idee von Herrn Wagner.«
»Eine Maßnahme, die aufgrund der außerordentlichen Bedeutung unseres Kronzeugen unbedingt erforderlich war«, rechtfertigte sich der Angesprochene.
»Und die einem Unschuldigen das Leben gekostet hat«, warf Tannenberg ein.
Heribert Wagner seufzte. »Meinen Sie denn, ich wäre erfreut darüber, dass dieser Schauspieler gestorben ist?«
»Nicht gestorben, zerfetzt wurde«, stellte der Leiter des K 1 unmissverständlich klar.
»Er war übrigens ein sehr geschätzter Kollege von mir«, sagte Eva Schneider mit gepresster Stimme. »Sein Tod geht mir ganz schön an die Nieren.«
»Mir kommen wirklich gleich die Tränen«, spottete Tannenberg.
»Ich bin ja auch Schauspielerin.«
»Und zwar eine sehr gute«, bemerkte Dr. Schneider mit unverhohlenem Stolz.
»Ja, davon habe ich mich bereits überzeugen können«, bemerkte der Leiter des K 1. »Ihre Gattin hat wirklich sehr glaubhaft die trauernde Witwe gespielt, als wir ihr die Todesnachricht überbrachten. Aber eigentlich kann ich dieses Kompliment nicht nachvollziehen. Ehrlich gesagt empfinde ich Ihr pietätloses Geschwafel sogar als ausgesprochen geschmacklos in Anbetracht der drei Mordopfer.«
»Als Toter steht mir dieser makabre Humor durchaus zu, wie ich finde«, konterte der Sportmediziner mit einem zynischen Grinsen.
»Sie haben vielleicht Nerven, Frau Schneider: Tauchen ganz cool in der Pathologie auf und identifizieren Ihren Mann, der eigentlich nicht er, sondern ein angeblich sehr geschätzter Kollege war.«
Die Ehefrau des Kronzeugen enthielt sich zunächst eines Kommentars und zog mit zittrigen Fingern eine weitere Zigarette aus der Schachtel. Doch urplötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und wimmerte: »Es war so fürchterlich. Diesen Anblick werde ich nie mehr vergessen können.«
Geschieht dir recht, dachte der Kaiserslauterer Kriminalbeamte. Das ist die Strafe für deine linke Tour.
»Auch das musste sein, Herr Kollege, denn auch wenn es extrem zynisch klingen mag: Eine bessere Lebensversicherung konnte es für unseren Kronzeugen gar nicht geben, als seine offizielle Todeserklärung.«
»Ich fasse es einfach nicht! Das war alles nur Show«, grummelte Wolfram Tannenberg kopfschüttelnd. »Wahrscheinlich genauso wie diese andere Inszenierung auch.« Mit anschwellender Stimme ergänzte er an Frau Schneider adressiert: »Falls Sie diese vergessen haben sollten: Ich meine Ihren Anruf, in dem Sie behaupteten, eine E-Mail Ihres Mannes erhalten zu haben, in der er einen gewissen Pieter Breedekamp des Mordes an seinem Mechaniker-Kollegen bezichtigt hat.«
Während Eva Schneider mit feuchten Augen die dünne Rauchsäule betrachtete, die von ihrer Zigarette emporstieg, meldete sich Heribert Wagner zu Wort: »Auch dieses Ablenkungsmanöver war zwingend erforderlich.«
»Für wen?« Tannenberg zeigte mit dem Finger auf seine eigene Brust. »Etwa für
Weitere Kostenlose Bücher