Leidenstour: Tannenbergs neunter Fall
von Polizeibeamten nach Wiesbaden in den Hof des Bundeskriminalamtes überführt.
Der einzige Fahrer der Radsportmannschaft, der nicht im Waldhotel angetroffen und festgenommen werden konnte, war Florian Scheuermann. Obwohl der Einsatzleiter intensive Nachforschungen nach ihm anstellte, wusste offenbar keiner seiner Kollegen, wo er denn abgeblieben war. Der Letzte, der ihn angeblich gesehen hatte, war der Mechaniker Pieter Breedekamp.
Heribert Wagners Kollege hielt bereits die Türklinke in der Hand, als ihn der OK-Abteilungsleiter aufforderte, noch einen Augenblick zu warten. An Tannenberg gerichtet, erklärte er:
»Während wir hier gemütlich miteinander plauschten, sind meine Kollegen in Ihren wunderschönen Pfälzer Wald gefahren und haben die eigens für die Mitglieder des Turbofood-Teams ausgestellten Haftbefehle vollstreckt. Diese Leute befinden sich bereits auf dem Weg hierher. Nach dem für uns alle doch ziemlich überraschenden sofortigen Tour-Ausstieg des Turbofood-Rennstalls haben wir uns ebenfalls zum sofortigen Handeln entschlossen. Deshalb hatte ich Sie vorhin auch gebeten, so schnell wie möglich zu uns zu kommen. Ich möchte Ihnen nämlich die Gelegenheit geben, sich diese werten Herrschaften gemeinsam mit uns anständig zur Brust zu nehmen. Deshalb die ganze Eile und Hektik.«
»War Florian Scheuermann dabei?«, fragte der Leiter des K 1, der nach wie vor gebannt auf die gepolsterte Tür zum Nebenzimmer starrte.
»Nein, als Einziger nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass er geflüchtet ist.«
»Wohin?«
Wagner zuckte mit den Schultern. »Ja, wenn wir das wüssten, wären wir bedeutend schlauer und bräuchten keine Fahndungsmaßnahmen mehr durchzuführen.«
»Klar! Ich mein doch auch nur, in welche Himmelsrichtung er geflüchtet ist?«
Der BKA-Beamte schob die Unterlippe vor und schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er direkt nach dem Einzelzeitfahren im Mannschaftsbus seinen Rucksack geholt hat und dann getürmt ist.«
»Wie sah der Rucksack aus?«
»Auf ihm soll ein FCK-Emblem abgedruckt sein.« Ein schadenfrohes Grinsen zeigte sich in seinem Antlitz. »Bei dem Tabellenstand sind die bestimmt ganz billig zu haben.«
Tannenberg verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Scheißkerl, beschimpfe er ihn tonlos. Meinst du, ich habe den Mainz-05-Anstecker an deinem Revers noch nicht bemerkt? Aber ich sag dir eins, du Karnevalsgesicht, es werden auch wieder andere Zeiten kommen.
»Aber warum fragen Sie nach ihm?«, wollte Heribert Wagner wissen.
»Weil sich seine Eltern bei mir gemeldet haben. Sie konnten ihn nicht erreichen und sind sehr besorgt. Sie meinen, er sei nach diesem Zeitfahr-Fiasko extrem suizidgefährdet.«
»Oh je, die armen Leute. Aber vielleicht finden wir ihn ja auch schon bald, schließlich läuft die Fahndung nach ihm bereits auf Hochtouren«, meinte Wagner.
»Könnten Sie bitte veranlassen, dass man uns sofort benachrichtigt, wenn ihn jemand gefunden hat oder wenn jemand einen Hinweis zu ihm erhalten hat?«
»Selbstverständlich, Herr Kollege.« An seinen Mitarbeiter gerichtet sagte er: »Jens, kümmerst du dich bitte gleich darum.« Während der jüngere BKA-Beamte kurzzeitig den Raum verließ, fuhr Wagner fort: »Es war wirklich ein Drama. Man konnte es kaum mit anschauen: diese Schmerzen und diese unglaubliche Enttäuschung in seinem Gesicht. Ich habe richtig mit ihm gelitten.«
Wagner seufzte. »Es ist wirklich jammerschade um ihn. Seine vielversprechende Karriere wird nun wohl bereits vorüber sein, bevor sie überhaupt erst richtig begonnen hat.« Er wiegte den Kopf hin und her. Dann gab er seinem Mitarbeiter ein Zeichen, der jemanden hereinrief.
»Na, hab ich Ihnen zu viel versprochen?«, fragte der leitende BKA-Beamte. Die Freude über seinen Überraschungscoup konnte er nicht verbergen.
Tannenberg sagte nichts, sondern schüttelte nur stumm den Kopf.
Woraufhin Wagner nachschob: »Ihn hätten Sie wohl hier am allerwenigsten erwartet, nicht wahr?«
19. Etappe
Während Tannenberg Bauklötze über Bauklötze staunte, trat der Kriminaldirektor hinter einen der Stühle und wartete, bis sein Topinformant ein wenig in die Knie gegangen war. Dann schob er ihm wie ein aufmerksamer Diener von hinten den Stuhl nach.
Anstatt sich dafür zu bedanken, küsste Dr. Schneider unter den Augen des sprachlosen Kaiserslauterer Ermittlers seine Frau. Dann zog er eine Zigarettenschachtel aus seinem Sakko und zupfte mit gelben Fingerkuppen zwei
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