Leise Kommt Der Tod
Sweeney an und deutete auf einen Stoß Kartons in der gegenüberliegenden Ecke.
»Aber sicher. Auf dem Karton steht ›Karen‹. Ich erinnere mich noch, wie ich ihn mit einem Filzstift beschriftet habe.«
Sie suchten eine halbe Stunde lang, aber ohne Erfolg. Diana sah bereits etwas erschöpft aus, deshalb entschied Sweeney, dass es an der Zeit war zu sagen: »Es ist wohl doch zu schwierig, die Sachen zu finden.«
»Lassen Sie es mich nur noch mit einem weiteren Karton versuchen.«
Als Sweeney sah, wie der Schweiß an Dianas Schläfen herunterrann, fühlte sie sich mit einem Mal schuldig und gestand: »Ich möchte Ihnen etwas sagen. Es stimmt nicht, dass ich an einer Arbeit über Frauen an der Universität schreibe. Ich bin Kunsthistorikerin. Ich habe eine Ausstellung als Kuratorin betreut. Bei der Eröffnung vor einigen Wochen wurde jemand im Hapner Museum ermordet. Es geschah während eines Raubüberfalls und, nun ja, ich habe mir die Akten zu dem Einbruch im Jahr 1979 angesehen und mich gefragt, ob Karen mehr darüber wusste, als sie der Polizei erzählt hat. Vielleicht war das der Grund, weshalb sie sich umgebracht hat. Oder sie wurde getötet, weil sie etwas wusste, das nicht ans Licht kommen sollte. Es tut mir leid. Ich dachte, es wäre einfacher, etwas über sie herauszufinden, wenn ich Ihnen nicht sofort verraten würde, was ich wirklich über ihren Tod denke.«
Diana Sturgeon lächelte sie an. »Ich dachte mir schon, dass Sie nicht ganz ehrlich zu mir waren. Aber ich hatte ein gutes Gefühl Ihnen gegenüber, deshalb habe ich darüber hinweggesehen.« Sie stand für einen Moment da und betrachtete die Kartonstapel. »Warten Sie eine Sekunde. Ich bin wirklich ein Dummkopf. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo die Sachen sind. Folgen Sie mir.«
Sie gingen die Treppen wieder hinunter, und Diana führte sie zu einem kleinen Schlafzimmer, das direkt unter dem Dachvorsprung lag. Als sie eine der altmodischen Nachttischlampen anknipste, konnte Sweeney eine rosafarbene Tapete erkennen, die ein Muster aus Weinreben und Rosen trug.
»Ich weiß nicht, warum mir das nicht schon früher eingefallen ist«, sagte sie. »Das war Karens Zimmer. Ich glaube, meine Mutter hat den Karton in ihren Kleiderschrank gestellt.« Sie öffnete die schmale Schranktür, und ein Pappkarton kam zum Vorschein. »Das ist es«, sagte sie, machte ihn auf und nahm ein Highschool-Jahrbuch heraus. »Ich lasse Sie jetzt allein, damit Sie alles durchsehen können, und kümmere mich wieder um
das Abendessen. Rufen Sie mich, falls Sie irgendetwas brauchen.«
Ganz oben in der Box lag ein gelber Schal, der ganz danach aussah, als sei er von einem Anfänger gestrickt worden. Das Gelb war ein wenig schmeichelhafter Farbton, vermutlich hatte das Stück Erinnerungswert und war deshalb aufbewahrt worden. Unter dem Schal befand sich ein Stapel mit Fotos. Die meisten von ihnen zeigten Karen, wie sie mit ein paar anderen Mädchen im Teenageralter herumalberte. Eines der Mädchen war die junge Gerry Tiswell. Alle Bilder schienen in Greenfield entstanden zu sein. Von der Universität gab es keine.
Als Nächstes förderte sie einen Stoß Briefe zu Tage, die Umschläge waren mit einem Gummiband zusammengefasst. Es nahm einige Zeit in Anspruch, sie durchzusehen. Sweeney zog jeden Bogen aus seinem Umschlag und überflog die Zeilen nach einem Hinweis auf die Universität oder das Museum. Auch hierbei schien es sich um Erinnerungen aus Karens Kindheit und Jugend zu handeln. Es waren Berichte eines jungen Mädchens an seine Freunde, Klatsch über andere Mädchen und die Jungs, die sie mochten, und später Briefe von Freunden, die erzählten, was sie während des Sommers unternommen hatten. Einer war von Gerry Tisdale und handelte von ihren Sommerferien bei den Großeltern in Ohio. Außerdem fanden sich Briefe aus Karens erstem Jahr auf dem College, die von den Erfahrungen ihrer Freunde auf ihren jeweiligen Colleges berichteten. Aber wie erwartet, fand sich kein Hinweis darauf, was mit Karen vor sich ging. Alles, was sie entdeckte, waren ein paar Berichte darüber, ob eine Party ein Erfolg war oder ob sie ein Junge, für den Karen sich interessierte, um ein Date gebeten hatte. In einem braunen Umschlag fand sie schließlich eine Kopie des Magazins ›Frauen organisieren Kunst‹, in dem sich auf Seite 14 ein Gedicht von Karen befand.
Lord Carnarvon
Wer besitzt diese antiken Dinge ausgegraben, die Gesichter golden, weit unter den Jahren der Erde?
Wem gehören die
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