Leise Kommt Der Tod
gewalttätig würde, wären Lacey und sie gemeinsam in der Lage, ihn zu überwältigen. Lacey könnte die Polizei anrufen. Sie stieg aus dem Wagen und klingelte, unter dem Arm das Skizzenbuch. Lacey öffnete die Tür fast im selben Moment.
»Sweeney? Ich habe mich schon gefragt, wer das wohl sein könnte. Komm doch rein.« Sweeney betrat das von der Sonne aufgewärmte Haus und fühlte sich dabei wieder von absoluter
Normalität umgeben. Auf dem Tisch im Esszimmer hatte Lacey bunte Pullover gestapelt, in der Luft lag der Geruch nach gebratenem Hühnchen. »Möchtest du ein Glas Wein? Ich wollte uns gerade einschenken.«
»Nein, danke. Ich würde mich gerne mit Fred unterhalten.«
Lacey betrachtete sie. In ihren Augen lag plötzlich etwas Kaltes, Argwöhnisches. »Sicher. Er ist in seinem Arbeitszimmer. Kann ich dir wirklich nichts anbieten?«
»Nein, ehrlich nicht, Lacey. Danke.«
»Okay.« Da war es wieder. Ihre Augen verengten sich leicht, als sie sagte: »Du kennst den Weg, nicht wahr? Den Flur entlang und dann rechts?«
»Ja, ich werde ihn schon finden. Danke.« Sweeney lief den Korridor entlang zu Freds Arbeitszimmer. Er saß am Schreibtisch und las. Als er zu ihr hochsah, fiel ihr auf, wie müde und ängstlich er wirkte.
»Sweeney, was machst du denn hier?«
»Hi.« Sie ließ die Tür offen stehen und stellte sich vor ihn, das Skizzenbuch unter dem Arm, als sie zu sprechen begann: »Es tut mir leid, Fred. Ich weiß es. Ich weiß, was du getan hast.«
»Was meinst du damit?« Er bluffte, das erkannte sie sofort.
»Gib es schon zu, Fred. Ich habe Beweise.«
Er legte den Kopf in die Hände, dann schob er die Papiere zur Seite. Als er sie wieder ansah, standen Tränen in seinen Augen.
»Ich wusste es«, sagte er. »Ich wusste, dass es jemand herausfinden würde. Die letzten paar Wochen waren schrecklich. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich kann nichts essen. Ich fühle mich, als würde ich jeden Moment aus der Haut fahren. Was wirst du jetzt tun?«
»Weiß Lacey davon?«
»Ich denke nein«, sagte Fred. »Natürlich ahnt sie, dass etwas nicht stimmt. Sie hat viel Geduld mit mir bewiesen, aber sie weiß, dass da etwas nicht stimmt.«
»Fred?« Sweeney drehte sich erschocken um und sah Lacey im Türrahmen stehen, ein Messer in der Hand. Sie hatte das Essen vorbereitet, darum ergab es Sinn, dass sie ein Messer in der Hand hielt. Trotzdem machte die Art, wie sie dastand, Sweeney nervös.
»Lacey, es ist alles in Ordnung«, sagte Fred. »Wir müssen uns über etwas unterhalten.«
»Was ist das?« Lacey richtete die Frage an Sweeney. »Hast du das gezeichnet?« Sie deutete auf das Skizzenbuch. Eine der Zeichnungen von Fred war aufgeschlagen.
Sweeney blickte zu ihm und wartete darauf, dass er etwas sagen würde. Aber anstatt Lacey zu erklären, was es mit Karen und der Zeichnung auf sich hatte, sah er nur verwirrt drein. Dann stand er auf und kam zu Sweeney herüber, nahm das Skizzenbuch und blätterte es durch.
Sweeney sah, wie sein Gesicht einen verblüfften Ausdruck annahm. »Was sind das für Bilder?«
»Das ist eine der Zeichnungen, die Karen von dir gemacht hat«, erklärte Sweeney. »Ich weiß, dass du eine Affäre mit ihr hattest. Und ich weiß auch, dass du sie umgebracht hast, als sie damit drohte, euer Verhältnis an der Universität publik zu machen. Du hast es wie Selbstmord aussehen lassen, nicht wahr?«
»Was?« Er starrte sie ungläubig an.
»Wovon spricht sie, Fred?« Lacey hatte ihm das Skizzenbuch aus der Hand genommen und besah sich die Bilder.
Sweeney fuhr fort. »Ich glaube, dass Olga und Willem es irgendwie herausbekommen haben und drohten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Vielleicht hattest du es ja schon fast vergessen, vielleicht auch gehofft, es würde einfach ungeklärt in der Versenkung verschwinden. Schließlich hatten alle geglaubt, dass sie Selbstmord begangen hat. Niemand hat sich eingehend genug damit befasst, was sie vor ihrem Tod getan hat. Niemand hat ihre Freunde und Bekannten befragt.«
»Sweeney.« Fred stand immer noch fassungslos da. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Ich habe niemanden umgebracht.« Er nahm Lacey das Buch weg und sah es noch einmal durch, als würde er sich zu erinnern versuchen, wo er die Bilder schon einmal gesehen hatte. »Oh mein Gott«, sagte er schließlich. »Oh mein Gott.« Und dann fing er an zu lachen.
»Ich war ein bettelarmer Student im Abschlussjahr«, erklärte er. »Ein Freund, der Ateliermalerei
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