Leise Kommt Der Tod
zugestoßen?«
»Ich habe keine Ahnung. Offenbar war es kein Unfall, also bleibt wohl nur noch Mord. Die Gründe für Mord sind ziemlich banal, nicht wahr? Habgier, Eifersucht, solche Dinge.«
Sweeney wusste nicht, was sie angesichts solcher Sachlichkeit tun sollte. »Also glauben Sie, dass sie unter Druck stand?«
»Oh, das habe ich nicht gesagt. Sie hat sehr hart gearbeitet, weil sie darauf hoffte, den Aufbaustudiengang für Kunstgeschichte belegen zu können. Sie machte sich Sorgen, wie sie das bezahlen sollte. Und ich weiß, dass ihre Pflichten am Museum ihr zu schaffen machten. Sie hatte in der letzten Zeit nicht gut geschlafen und nicht ordentlich gegessen, vermutlich wegen der Arbeit. Auch als sie noch jünger war, hatte Karen diese Stressphasen, in denen sie vermutlich etwas depressiv wurde.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
»Sie kam in jenem Jahr an Weihnachten nach Hause. Ich ging noch auf die Highschool und erinnere mich gut, wie froh ich war, sie wiederzusehen. Und dann verschlief sie fast den gesamten Weihnachtsabend. Ich sehe es noch vor mir, als ob es gestern gewesen wäre. Ich war schon im Bett, als sie zu Hause ankam, und am nächsten Morgen wartete ich und wartete, dass sie endlich aufstehen würde. Wir hatten uns immer sehr nahe gestanden, wissen Sie, und als sie fortging aufs College, vermisste ich sie sehr. Ich hatte mir seit Monaten ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie heimkam. Und ich wollte ihr unbedingt von meinem ersten Freund erzählen.« Sie lachte. »Mittlerweile weiß ich nicht mal mehr seinen Nachnamen, aber damals schien es mir sehr wichtig. Als sie schließlich aufwachte, duschte sie und ging geradewegs los, um ihre beste Freundin zu besuchen. Ich war richtig wütend. Ich weinte stundenlang in meinem Zimmer.« Sie lächelte. »In diesem Alter geht einem alles sehr nahe.«
»Hat sie je davon gesprochen, was sie durchgemacht hat?«
»Ein bisschen. Am Tag nach Weihnachten kam sie zu mir ins Zimmer, und wir haben uns lange unterhalten, aber hauptsächlich habe ich ihr von meinem Leben erzählt. Ich vermute, dass Mutter Karen gesagt hat, wie aufgebracht ich war, und sie versuchte, es so wiedergutzumachen. Das war typisch für ihre liebenswerte Art.
Ich fragte sie, ob sie auf dem College einen Freund gehabt hatte, und ich erinnere mich noch, was sie geantwortet hat. Dass sie Männern nicht mehr trauen würde und dass das Letzte, was sie in ihrem Leben brauchte oder wollte, ein Freund sei. Es überraschte mich, da Karen Jungs immer gemocht hatte und normalerweise gleich an mehreren interessiert war.«
»Denken Sie, dass sie vielleicht wegen eines Typen depressiv gewesen sein könnte? Es hört sich so an, als ob ihr jemand das Herz gebrochen hätte.«
»Ja, bis auf die Tatsache, dass sie eher wütend als depressiv
war deswegen. Es kann das Gleiche sein, ich weiß, aber... Ich hatte das Gefühl, dass ihre Erschöpfung eher mit der vielen Arbeit zu tun hatte. Unsere Familie war nicht... nun, wir waren keine Akademiker. Für uns war es eine große Sache, dass Karen auf die Universität ging, und ich glaube, sie setzte sich selbst unter Druck, weil sie erfolgreich sein wollte.«
»Hat sie das gesagt?«
Diana überlegte. »Sie schrieb an ihrer Doktorarbeit über ägyptischen Schmuck. Und sie trug jede Menge Bücher mit sich herum, die sie pausenlos durchblätterte, während ihres gesamten Aufenthalts zu Hause. Ich erinnere mich noch, dass ich ihr das übelnahm. Ich war keine besonders ehrgeizige Schülerin und verstand das nicht.«
»Wissen Sie noch, womit sie sich befasst hat?«
»Irgendetwas über die Pyramiden von Darfur und Darshur.«
»Dashur?«
»Ja, genau. Ich glaube, dort lagen irgendwelche Prinzessinnen begraben, und ganz in der Nähe ihrer Grabstätten hatte man ein paar wunderschöne Schmuckstücke gefunden. Karen hatte den Ort gesehen, auf ihrer Reise nach Kairo im Sommer vor ihrem Tod. Sie versuchte uns zu erklären, was diese bestimmten Halsketten so besonders machte. Sicher waren sie hübsch, aber mir schienen sie nicht so, wie soll ich sagen, wichtig . Aber sie sagte, es seien die hübschesten Dinge, die in Ägypten zu jener Zeit hergestellt worden waren. Und dass Menschen ihr Leben verloren hatten, während sie in der Wüste Ägyptens nach derartigen Schätzen suchten. Sie sagte, dass Schmuckstücke wie diese Ketten die Leute dazu brachten, schlimme Dinge zu tun, unehrliche Dinge. Ich hatte fast das Gefühl, sie dachte, auf dem Schmuck läge
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