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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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gehen, Willem. Ich muss meinen Zug erreichen.« Je mehr Zeit Willem mit schwerreichen Männern wie Cyrus Hutchinson verbrachte, desto mehr amüsierte er sich über ihre schrulligen Eigenarten, wie jene von Hutchinson, überallhin mit dem Zug zu reisen. Noch am Vortag war er einverstanden gewesen, sich fahren zu lassen, da er den Kanopenkrug dabeihatte. Aber gleich nach der Ankunft hatte er den Fahrer, den Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, aus seinen Diensten entlassen, um mit dem Zug zurückzureisen.
    »Natürlich«, sagte Willem. »Und nochmals vielen Dank.« Seine Augen wanderten zu dem Krug, und er musste seinen Blick zurück zu Hutchinsons Gesicht zwingen. Halte durch , ermahnte er sich insgeheim. Nur noch ein paar Minuten, dann
kannst du dich dem Prachtstück in aller Ruhe widmen. » Ich schicke Ihnen eine Einladung für die Eröffnung zu. Es wird Ihnen gefallen, da bin ich mir sicher. Unter den Exponaten sind einige Stücke aus unserer Ägypten-Sammlung. Sie als Fachmann interessiert bestimmt auch die Grabeskunst anderer Epochen.«
    Jetzt hatte er zu dick aufgetragen. Hutchinson warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
    Insgeheim verfluchte Willem sich für die letzte Bemerkung, während er innehielt und dann fortfuhr. »Oh, wir brauchen ja noch Ihre Unterschrift auf diesen Papieren«, sagte er leichthin und griff nach den Übergabedokumenten. »Ich nehme an, das ist für die Anwälte.«
    Er zeigte Hutchinson, wo er unterschreiben sollte, und konzentrierte sich darauf, nicht erleichtert aufzuseufzen, als der andere den Stift niederlegte und sagte: »Danke, gehen Sie behutsam mit meiner Spende um.« Hutchinson hob verschmitzt die Augenbrauen, und für einen Moment glaubte Willem, dass dem Mann bewusst war, mit welch großer innerer Unruhe er gerade kämpfte. Versteck deine Hand, Willem. Ruhig, sei ganz ruhig.
    Er begleitete Hutchinson bis zum Aufzug, dann hetzte er zurück in sein Büro. Auf dem Weg rief er Tad sicherheitshalber zu, er wolle nicht gestört werden. Ihm blieb eine Stunde, ehe der Krug zur sicheren Aufbewahrung in den Tresor des Museums gebracht werden würde.
    Er schloss die Tür hinter sich und zwang sich, seinen Bourbon auszutrinken, bevor er durch das Zimmer auf den Krug zuging. Der Alabaster fühlte sich kühl an, war aber gleichzeitig weich wie menschliche Haut. Er hob einen der Deckel hoch, der unerwartet schwer war, und umfasste mit beiden Händen das beinahe weiblich wirkende Gesicht des jungen Königs.
    Er war den Tränen nahe, als er den Deckel wieder einsetzte und sich vor den Krug hinkniete, um ihn zu umfassen. Er
konnte ihn ohne allzu große Anstrengungen hochheben, seine Arme um das kalte, schwere Gewicht gelegt.
    Der Krug war atemberaubend schön. Und er gehörte nur ihm.

4
    »In zehn Minuten ist das Essen fertig, Schatz«, rief Lacey aus der Küche. »Ich gebe jetzt die Nudeln ins Wasser.«
    »In Ordnung«, erwiderte Fred Kauffman. »Ich räume noch rasch hier auf, dann komme ich sofort.« Er nahm noch einen Schluck von seinem gekühlten Pinot Gris und fuhr damit fort, Rechnungen in den Ablagekorb zu sortieren. Lacey hatte ihn vor ein paar Monaten angeschafft, um die Flut von Briefen auf dem Esstisch in den Griff zu bekommen. Der Impuls, endlich Ordnung in ihre Post zu bringen, war bei einem Besuch ihrer zwanzigjährigen Tochter ausgelöst worden. Beim gemeinsamen Frühstück hatte jene durchs Zimmer geblickt und ihre Eltern dann dezent darauf hingewiesen, dass sie nicht unbedingt die Ordentlichsten seien - in den Elternhäusern ihrer Studienkollegen würde sogar die Post sortiert, und man fand keine Katzenhaare auf der Hose, nachdem man vom Sofa aufgestanden war.
    Es war ungewöhnlich, dachte Fred in diesem Moment, dass diese Bemerkung sie so sehr getroffen hatte - Lacey war losgezogen, um den Korb zu kaufen, er selbst sortierte seither jeden Abend routinemäßig die Post. Beiden war Kyra seit jeher etwas unheimlich gewesen. Schon als Baby hatte sie es geschafft, ihnen mit einem einzigen Blick das Gefühl zu geben, dass sie etwas falsch machten.
    Als er sich im Esszimmer umsah, verspürte er plötzlich einen
Groll gegenüber seinem jüngsten Kind. Immerhin war das hier auch ihr Zuhause. Der Ort, an dem sie und ihr Bruder aufgewachsen waren. Und obgleich oft Dinge unordentlich herumlagen, strahlte das Haus auch eine Art gemütlichen Charme aus, den er sich in seiner Kindheit oft herbeigewünscht hatte. Er selbst war in einem makellosen, durchgestylten Apartment in Manhattan groß

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