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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Namen unter dem Schreiben las. In der Küche klapperte Geschirr, und er erhob sich, nachdem er den Brief hastig unter einem der handgewebten Platzdeckchen versteckt hatte, die Lacey und er von ihrer letzten Ecuador-Reise mitgebracht hatten.
    Er trank noch einen Schluck Wein, spürte sein wild pochendes Herz und zwang sich, gelassen zu bleiben. Lacey stand immer noch am Herd, und obwohl er wusste, dass sie ihn von der Küche aus nicht sehen konnte, drehte er sich so, dass er ihr den Rücken zuwandte, als er den Brief wieder aus seinem Versteck nahm. Natürlich kannte er den Inhalt. Seit Jahren hatte er mit dieser Nachricht gerechnet, die fast exakt im selben Wortlaut verfasst war wie in seinen Alpträumen.
    Er lehnte sich zurück und überlegte, was er tun sollte. Diese Gedanken quälten ihn nicht zum ersten Mal. Wenn er ehrlich mit sich ins Gericht ging, hatte er schon immer gewusst, dass ihn dieser Brief eines Tages erreichen würde. Manchmal hatte er daran gedacht, selbst die Initiative zu ergreifen und ein Angebot
zu machen. Aber dazu war es nie gekommen. Zu handeln war nicht nötig gewesen - bis heute.
    »Schatz?«
    Er sprang auf, versteckte den Brief unter einer Zeitschrift und verbarg den Umschlag hinter seinem Rücken. Lacey kam mit der halbleeren Flasche Pinot Gris ins Zimmer.
    »Ja? Abendessen?« Er versuchte so zu tun, als würde er die Kataloge auf dem Tisch ordnen.
    »Ich habe gerade die Nudeln abgegossen.« Sie füllte sein Glas auf, aber in seiner Nervosität griff er zu schnell danach und warf es um. Der Weißwein lief über den Tisch und tränkte die Platzmatten und die Post. »Alles in Ordnung?«
    »Aber sicher«, sagte er und griff nach einem Geschirrtuch, das über der Kommode hing, um den Wein aufzuwischen. »Es tut mir leid, ich war nur gerade in einen Artikel vertieft, und du hast mich erschreckt.«
    »Ach so. Lass uns essen. Ich habe nämlich noch einiges an Arbeit zu erledigen.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, und er nahm den frischen, würzigen Blumenduft ihrer Seife wahr. Nelken, dachte er, durch den vertrauten Duft mit einem Mal beruhigt.
    Er beobachtete, wie sie in der Küche verschwand. Lacey. Lacey. Für ihn war es der schönste Name der Welt. Mit einem Mal hatte sich das stumpfe Gefühl träger Mutlosigkeit verflüchtigt, und er spürte, wie das Blut in seinen Adern pulsierte. Er liebte sie so sehr. Sie durfte niemals von dem Brief erfahren. Er würde alles tun, um das zu verhindern.

5
    Jeanne Ortiz glich einem wirbelnden Tropensturm, stets überfiel sie ihr Gegenüber so unvermittelt, dass man den Eindruck bekam, um sie herum existiere ein pulsierendes Energiefeld. Als Sweeney ihr am nächsten Morgen im zweiten Stock des Treppenhauses begegnete, kam es ihr vor, als habe sie ein Tornado erfasst, aus dem es kein Entrinnen gab.
    »Sweeney, ich habe dich überall gesucht. Ich muss dich nämlich um einen Gefallen bitten.« Sweeney war aufgefallen, dass Jeanne den Leuten eigentlich ständig mit einer Bitte in den Ohren lag. Sogar wenn sie anbot, jemand anderem einen Gefallen zu erweisen, endete es in der Regel damit, dass sie selbst die Begünstigte war. Obwohl sie erst seit ein paar Jahren an der Universität unterrichtete, schien sie jeden zu kennen, und jeder kannte sie. Offiziell war sie Mitglied der Fakultät für Frauenstudien, aber sie knüpfte ständig neue Kontakte und »schuf Möglichkeiten für interdisziplinäre Kommunikation«, wie sie stolz von sich behauptete. Gerade hatte sie damit begonnen, eine Ausstellung zu planen, die sich aus ihrer Zusammenarbeit mit der Geschichtsfakultät und dem Museum ergeben hatte. Wie es ihr gelungen war, Willems Zustimmung dafür einzuholen, war Sweeney ein Rätsel. Sie nahm an, dass es mit gegenseitig erwiesenen politischen Gefälligkeiten zu tun hatte, deren Zweck erst in einigen Jahren zu Tage treten würde, wenn herauskäme, auf welche Art Willem von der Sache profitiert hatte.
In der Zwischenzeit bemühte sich Jeanne jedenfalls nach Kräften, ihn in den Wahnsinn zu treiben.
    Sweeney dagegen kam gut mit ihr aus. Jeanne vereinte in ihrer Persönlichkeit eine Menge Gegensätze und war immer für eine Überraschung gut. Den Namen Ortiz zum Beispiel hatte sie von einem ihrer Exmänner behalten, sie selbst war ein amerikanisches Landmädchen mit norwegischen Wurzeln und stammte aus Minnesota. Sie hatte strahlend blondes, sehr lockiges Haar, das ihr rundliches Gesicht jünger wirken ließ. Da sie niemals einen BH trug, wogten ihre

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