Leise Kommt Der Tod
herauszufinden, wer das Gebäude betreten und verlassen hat? Ob sie den Deckel wiederfinden werden, ist eine andere Frage. Es ist kaum zu glauben, wie schnell geraubte Antiquitäten im Netzwerk irgendwelcher Untergrundorganisationen verschwinden. Ich vermute, dass das gute Stück für immer verschollen bleiben wird, obwohl es vermutlich ohne den Rest des Kruges kaum einen Wert hat. Leider habe ich schon zu oft Derartiges miterlebt.«
»Das war eine sehr dreiste Aktion«, bemerkte Willem, »wenn man bedenkt, dass so viele Leute anwesend waren.« Er klang, als fühle er sich persönlich angegriffen. So, als habe der Kunstdieb seine Tat nur begangen, um Willem eins auszuwischen.
»Vermutlich hat er sich genau diesen Umstand zunutze gemacht«, meinte Ian. »Bedenken Sie doch, die Sicherheitsvorkehrungen sind viel lockerer bei einer Ausstellungseröffnung, oder etwa nicht? Er war wohl eher ganz schön clever.«
Darauf sagte Willem nichts mehr. Sweeney konnte sehen, wie er Ian musterte und als arrogant einstufte, er war zu selbstsicher für seinen Geschmack.
»Aber die vielen Menschen stellen doch auch ein Risiko dar«, bemerkte Lacey, während sie den Schal etwas enger um ihre Schultern zog. »Es hätte jederzeit jemand in den Keller gehen können.«
»Jeanne und ich sind runtergegangen«, bekräftigte Sweeney. »Und Olga auch.«
Daraufhin schwiegen alle. Sweeney und Jeanne hatten plötzlich denselben Gedanken. Wenn eine von ihnen ein wenig früher
in den Keller gegangen wäre, hätte sie den Dieb überrascht.
»Du hast aber niemanden gesehen, Jeanne, oder?«, fragte Fred.
Jeanne schüttelte den Kopf. Jemand hatte ihr einen Pullover gereicht, den sie über ihr blutbeflecktes Kleid gezogen hatte. Es war ein Herrenmodell in der Größe eines Zeltes, ihre Hände verschwanden komplett in den langen Ärmeln.
Sie sahen Tad näher kommen. »Ich darf nach Hause gehen«, sagte er. »Aber sie möchten wirklich mit allen sprechen.«
»Was haben sie dich gefragt?«, wollte Fred leise wissen. Etwas in seiner Stimme erschien Sweeney seltsam. Sie drehte sich zu ihm um. Er wirkte nervös, seine Augen sprangen wild zwischen Quinn und den Personen hin und her, die auf ihre Befragung warteten.
»Oh, das Übliche. Wo ich war, ob ich jemanden gesehen habe, der die Treppe hinunter oder nach draußen gegangen ist, ob jemand nervös auf mich gewirkt hat und so weiter. Ich hatte nicht viel beizutragen. Zu der Zeit, als es passiert sein muss, war ich im Versorgungsraum im Erdgeschoss, um Mineralwasser für das Buffet zu holen, deshalb habe ich überhaupt niemanden gesehen.« Er seufzte erleichtert. »Also ich mache mich jetzt auf den Weg. Sehen wir uns morgen?« Die anderen nickten, und er lächelte ihnen zu, ehe er aufbrach. Sweeney fiel auf, dass sie ihn insgesamt höchstens bei einer Handvoll Gelegenheiten hatte lächeln sehen.
Weit kam er nicht, da er von einem der uniformierten Polizisten aufgehalten wurde, die gerade die Treppe hochgerannt kamen. »Detective Quinn«, rief der Beamte, »Sie müssen sofort nach unten kommen. Ich glaube, wir haben hier etwas gefunden.«
Alle sahen zu, wie Quinn, gefolgt von der jungen Frau, aus der Galerie eilte und im Treppenhaus verschwand. Obwohl die Wartenden von einem uniformierten Beamten bewacht wurden,
liefen sie geschlossen in den offenen Gang hinaus und sahen vom Balkon aus nach unten. Währenddessen flammten Gespräche auf, die abrupt wieder verstummten, als alle den Aussichtspunkt erreicht hatten.
»Wir haben den vierten Kopf gefunden«, sagte einer der Polizisten. »Jemand hat ihn in den Mülleimer neben der Tür geworfen. Er ist mit Blut verschmiert.«
15
»Sie war eine sowjetische Jüdin aus Moskau, glaube ich«, sagte Willem Keane. »Obwohl ich sie seit dreißig Jahren kannte, hat sie mir nie erzählt, wie sie eigentlich nach Amerika gekommen ist. Ende der Siebziger gab es doch mal eine regelrechte Immigrationswelle aus diesen Ostblockländern, die sogenannten Refuseniks. Erinnern Sie sich noch daran?«
Quinn hatte keinen Schimmer, wovon der Mann sprach, daher nickte er einfach und ließ Keane fortfahren. »Sie war reserviert, nicht besonders freundlich. Oft schien sie sich hinter der Sprachbarriere zu verstecken. Ihr Englisch war ziemlich gut, aber sie gab oft vor, etwas nicht zu verstehen, damit sie sich nicht unterhalten musste. Ich glaube, sie war sehr kontaktscheu.«
»Wissen Sie etwas über ihre Familie? War sie verheiratet? Wo hat sie gewohnt?«, fragte Quinn.
»Leider
Weitere Kostenlose Bücher