Leise Kommt Der Tod
nein. Ich denke nicht, dass sie mit jemandem zusammengelebt hat. Wir können gerne in ihrer Personalakte nachsehen, aber ich glaube mich zu erinnern, dass sie ein Apartment irgendwo in Jamaica Plain gemietet hatte. Seit sie bei uns angefangen hat, ist sie mehrmals umgezogen. Gut möglich, dass sie Freunde in der russischen oder jüdischen Gemeinde hatte. Sie hat nie über etwas anderes als ihre Arbeit hier im Museum gesprochen.«
»Wie ist es dazu gekommen, dass sie eingestellt wurde?«, wollte Quinn wissen.
»Ich war nicht selbst damit befasst, aber ich arbeitete zu jener Zeit schon hier. Soweit ich mich erinnere, hat sich damals ein Wohltäter für sie eingesetzt. Wenn Sie wollen, suche ich Ihnen gerne den Namen heraus. Er hatte sich der Interessen von immigrierten russischen Juden angenommen und half ihnen dabei, Arbeit zu finden. Ich glaube, damals war es noch einfacher. Man rief irgendwo an und sagte, dass man für einen Freund einen Job suchte. Er hat dem Museum im Übrigen eine Menge Geld gestiftet. Aber natürlich bekam Olga deswegen keine Sonderbehandlung. Sie machte ihre Arbeit sehr gut, wir waren immer zufrieden.«
»Wen sollen wir von ihrem Tod benachrichtigen?«
»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht«, sagte Keane, während er die Beine übereinanderschlug und sich zurücklehnte. »Sie hat nie jemanden erwähnt. Ich vermute, das Beste wäre es, einfach zu ihrer Wohnung zu fahren und die Nachbarn zu fragen, ob sie mehr von ihr wissen. Vielleicht hat sie ja auch Post bekommen, die Sie weiterbringt. Ich helfe Ihnen wirklich gerne, soweit es mir möglich ist. Ich mochte sie sehr.«
»Außerdem sieht es ganz so aus, als habe sie den Diebstahl Ihres Kruges verhindert«, ergänzte Ellie. Sie hatte sich bis jetzt nicht am Gespräch beteiligt, wie Quinn ihr zuvor eingeschärft hatte. Die beiden Männer drehten sich zu ihr.
»Das stimmt«, sagte Keane. »Und ich bin ihr dafür auch sehr dankbar, obwohl ich natürlich lieber den Krug geopfert hätte als Olga.« Er sagte es ein bisschen zu schnell, als ob er sich schämte, dass Ellie ihn daran erinnert hatte.
»Natürlich«, bemerkte Quinn. »Selbstverständlich.« Er hatte durch Ellies Einwurf den Faden verloren. »Könnten Sie mir die Sicherheitsvorkehrungen hier im Museum näher erläutern...?«
»Ja.« Keane lehnte sich nun, da er sich auf sicherem Terrain befand, gemütlich in seinem Stuhl zurück und setzte zu
einer ausführlichen Erklärung an. »Also gut. Ich nehme an, Sie werden ohnehin noch mit unserem Sicherheitschef und der beauftragten Firma sprechen wollen. Nach dem Raub hier im Museum vor etwa fünfundzwanzig Jahren haben wir die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft. Natürlich gibt es immer noch Erweiterungsmöglichkeiten. Wir haben inzwischen eine großflächige Videoüberwachung in sämtlichen Galerien und an allen Ein- und Ausgängen. Außerdem sind an den Türen, die aus der Verwaltung und den Lagerräumen zu den Galerien führen, Sicherheitsschlösser installiert. Das Personal hat elektronische Generalschlüssel, die sie zum Ablesen vor die Geräte halten. Außerdem müssen sie ein Passwort eingeben. Ich bin mir sicher, dass die Kameras alles aufgezeichnet haben.«
»Ja«, entgegnete Quinn. »Wir haben mit Mr. Moran abgesprochen, dass wir die Bänder von der Sicherheitsfirma bekommen. So bald wie möglich werden wir sie ansehen.«
»Gut. Natürlich haben wir auch ein hypermodernes Alarmsystem an sämtlichen Zugängen. Es wird eingeschaltet, wenn das Museum geschlossen ist. Auch viele von unseren Schaukästen sind diebstahlgesichert. Vor ein paar Jahren habe ich an einer Konferenz zum Thema Sicherheit teilgenommen, was mich darauf gebracht hat, diese zusätzliche Vorsichtsmaßnahme zu treffen. Es ist bekannt, dass Universitätsmuseen einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Sie beherbergen Gemälde und Antiquitäten von unschätzbarem Wert und haben dabei meist nur ein beklagenswert veraltetes Sicherheitssystem. Es grenzt fast an ein Wunder, dass in der Vergangenheit nicht mehr derartige Diebstähle geschehen sind.«
»Versuchte Diebstähle«, verbesserte Ellie.
»Ja, das meinte ich.« Keane sah sie an. »Versuchte Diebstähle.«
Quinn wartete einen Moment lang ab und überlegte, wie er am besten fortfahren sollte. Dank Sweeney wusste er plötzlich, wie. Er wollte mehr über den Raub von 1979 in Erfahrung
bringen. Nur war Keane vermutlich nicht der richtige Ansprechpartner dafür. Er würde nur seine eigene Theorie,
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