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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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»Bitte hinterlassen Sie Ihre Nachricht.«
    »Peter, hier ist Chris Shepard aus Mississippi. Ich habe eine ziemlich eigenartige Frage, und ich denke, ich stelle sie einfach schon einmal vorab und gebe Ihnen Zeit, darüber nachzudenken. Ich möchte wissen, ob es möglich ist, gezielt Krebs bei einem Menschen hervorzurufen, und zwar auf eine Weise, dass kein Pathologe es feststellen kann. Ich spreche von den verschiedenen Arten von Blutkrebs und einem Zeitrahmen von achtzehn Monaten von der Diagnose bis zum Tod. Es klingt verrückt, aber wir haben damals an der Uniklinik ja mit ziemlich verrückten Sachen hantiert. Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben, aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich zurückrufen, sobald Sie eine Gelegenheit dazu finden.«
    Chris rief Jane über die Gegensprechanlage. »Wenn Connolly zurückruft, lassen Sie ihn nicht warten. Rufen Sie mich aus dem Behandlungszimmer, ganz egal, was ich gerade mache.«
    »In Ordnung.«
    »Es sei denn, ich habe einen dringenden Notfall.«
    »Ich weiß.«
    »Danke.« Chris atmete tief durch, drängte die paranoiden Ängste zurück, die sich in ihm aufstauten, und ging nach draußen, um seine Sprechstunde zu eröffnen.
     
    Alex setzte sich ruckartig im Bett auf, die Glock in der Hand, die Augen weit aufgerissen. Blaues Licht drang durch eine Ritze in den Vorhängen zu ihrer Rechten. Sie brauchte mehrere Sekunden, um sich zu erinnern, wo sie war: in einem Gästezimmer in Chris Shepards Haus. An einer Wand stand ein Tisch, auf dem sich Haushaltsrechnungen und Papiere stapelten. Er sah aus wie die Art von Tisch, an der Hausfrauen früher sämtliche alltäglichen Arbeiten erledigt hatten.
    Während Alex den Tisch anstarrte, summte das Mobiltelefon in ihrer Handtasche. Es hatte sich vorhin schon einmal gemeldet, dämmerte ihr. Das war es, was sie geweckt hatte. Ihr privates Handy – das Gerät, das sie bei ihrer privaten Mordermittlung benutzte – lag stumm auf dem Nachttisch. Das Gerät in ihrer Handtasche war ihr offizielles Mobiltelefon.
    O Gott …
    Erinnerungen an den Überfall der vergangenen Nacht huschten ihr durch den Kopf. Sie hatte der Polizei von Natchez ihren richtigen Namen nennen müssen – ihr war keine andere Wahl geblieben. Während sie auf das Display starrte, auf dem UNBEKANNTER ANRUFER zu lesen stand, erwachte in ihr ein Impuls, den Anruf entgegenzunehmen. Doch im letzten Moment hielt sie sich an ihre Standardprozedur im Verlauf des letzten Monats und ließ sich von der Mailbox abschirmen. Das offizielle Telefon konnte nur Ärger bedeuten. Der Anrufer konnte irgendein Außenagent sein oder ihr unmittelbarer Vorgesetzter aus Charlotte, der zurzeit offiziell auf den Bahamas in Urlaub war. Nachdem sie eine volle Minute gewartet hatte, wählte sie die Nummer ihrer Mailbox, um herauszufinden, wer etwas von ihr wollte.
    »Agentin Morse«, begann eine vertraute Stimme in einem selbstgefälligen Bostoner Intellektuellendialekt. »Hier spricht Deputy Director Mark Dodson in Washington.«
    Alex’ Brust schnürte sich zusammen, bis ihr das Atmen schwerfiel.
    »Ich rufe an, um Sie zu informieren, dass wir ein Flugzeug des FBI abgestellt haben, das Sie nach Washington zu einer Befragung durch die Dienstaufsicht bringen wird …«
    Die Dienstaufsicht. Ihr Blutdruck ging in freien Fall über.
    »Die Maschine wird planmäßig in Jackson, Mississippi, landen. Sollten Sie sich irgendwo anders aufhalten als in Jackson, rufen Sie mich bitte unverzüglich an, sodass ich den Flug zu Ihrem Aufenthaltsort umleiten kann. Versuchen Sie nicht, die Angelegenheit zu verzögern, Agentin Morse. Damit machen Sie alles nur noch schlimmer.«
    Es folgte ein Klicken, und die Nachricht war zu Ende. Als das Mailbox-Programm ihr anbot, die Nachricht zu löschen, bestätigte sie. Sie würde sich nicht noch einmal die Stimme eines tödlichen Feindes im Augenblick seines Triumphs anhören. Die Dienstaufsicht …
    »Verdammter Mist!«, schrie sie, stieg aus dem Bett und zog die gleichen Hosen wie am Vortag an. Wenn das FBI schon ein Flugzeug nach ihr schickte, mussten sie alles wissen. Der Sonderurlaub, den sie wegen Krankheit genommen hatte, die falschen Berichte, die sie übermittelt hatte, der Klassenkamerad, der sie in Charlotte deckte … wahrscheinlich wussten sie inzwischen sogar, dass sie in der vergangenen Nacht von einem unbekannten Angreifer überfallen worden war. Das war wahrscheinlich der Auslöser gewesen, der ihr sorgsam zurechtgebasteltes Kartenhaus hatte

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