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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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seines früheren Selbst – genau wie sein einstiger Software-Entwickler.
    Doch dieser Job hier war anders.
    Andy Rusk war einer der fünf Top-Scheidungsanwälte in der Stadt, und Neville hatte schon mehrmals für ihn gearbeitet. Nach Nevilles nicht unbescheidener Meinung war Rusk bloß einer von vielen Verbindungsstudenten von der Ole Miss mit zu viel Geld und mehr Ego, als gut war für ihn. Im Augenblick plapperte er am Telefon mit irgendeinem Kerl über eine Cross-Country-Motorradtour, die er organisierte, auf Harleys natürlich – Hawgs, Mann! –, auch wenn es gemietete Maschinen waren. Das sagte eigentlich schon alles.
    Neville nahm einen weiteren Schluck Vault und kicherte. Im Gegensatz zu Andy Rusk machte Dr. Traver einen anständigen Eindruck, und er war zweifellos um einige Größenordnungen cleverer als Rusk und seinesgleichen. (Neville wusste, dass Traver Tierarzt war, weil er im Internet nachgesehen hatte.) Er hatte genau gewusst, welche Ausrüstung erforderlich war, um die Überwachung von Rusks Büro zu organisieren, und er hätte keinen Detektiv beauftragt, der nicht über das entsprechende Werkzeug verfügte.
    Auch Neville war nicht blind engagiert worden. Dr. Traver hatte ihn gebeten, zu einer Unterhaltung von Angesicht zu Angesicht die Interstate 55 nach Byram hinunterzukommen. Neville hatte nichts dagegen gehabt. Er hatte sich in den fünf Jahren, seit er sein Firmenschild als Spezialist für Digitale Sicherheit aufgehängt hatte, an schlimmeren Orten mit seinen Mandanten getroffen. Bei einem Frescata Clubsandwich von Wendy’s hatte er Dr. Traver versichert, dass er ohne Weiteres imstande sei, sich in das Büronetzwerk von Andrew Rusk zu hacken. Dr. Traver war skeptisch gewesen, und bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte seine Skepsis sich als berechtigt erwiesen. Wer auch immer verantwortlich war für die Computersicherheit im Büro von Rusk, er hatte gute Arbeit geleistet. Doch der Laser würde ihn letztendlich festnageln. Nicht nur, dass er durch Messung der Vibration der Fensterscheibe jedes gesprochene Wort in Rusks Büro auffing, er zeichnete außerdem auf, welche Tasten auf seiner Computertastatur in welcher Reihenfolge gedrückt wurden, indem er die Veränderungen des elektromagnetischen Feldes im Büro maß. Das optische Glas allein erfasste etwa zwei Drittel von Rusks Tastatur und Bildschirm, was bedeutete, dass Neville vieles von dem, was Rusk an seinem Computer tippte, auch auf digitalem Video festhalten konnte.
    Der schwierige Teil dieses Auftrags war die Installation der Anlage gewesen. Das Marriott Hotel war das einzige Gebäude mit Blickkontakt zu Rusks Fenster im sechzehnten Stock, und selbst dieses Hotel hatte keine Fenster, die zum AmSouth Tower hinauszeigten. Um dieses Problem zu lösen, hatte Neville eine spezielle Apparatur angefertigt – eine Art Plastik-Hundehütte für den Laser und das optische Glas –, die er auf dem Dach des Hotels installiert hatte. Anschließend hatte er sich ein Zimmer in der obersten Etage genommen und seine drahtlose Kontroll-und Überwachungsstation eingerichtet.
    Bis jetzt waren seine wertvollsten Daten atemberaubende Ausblicke auf die Titten von Rusks Sekretärin. Der Anwalt schien Russ-Meyer-Titten als primäre Qualifikation für den Job zu verlangen, denn seine Sekretärin hatte reichlich davon. Und Killerwaden außerdem. Neville fragte sich, ob Dr. Traver möglicherweise mit Rusks Sekretärin verheiratet war. Doch sie war nicht älter als dreißig – und heiß – während Traver um die Sechzig war und dieses hässliche Muttermal im Gesicht trug. Neville nippte an seinem Vault und beobachtete, wie Rusk in der Nase bohrte, während er munter in den Telefonhörer plapperte.
    »Vielleicht ist Traver aus irgendeinem Grund sauer auf ihn«, sagte er. »Ja, das muss es sein.«
    Neville wartete geduldig, dass Andy Rusks Sekretärin wieder auftauchte. Er war zuversichtlich, dass er bis zum Ende der Woche nicht nur alles wusste, was es über Andrew Rusk und seine Sekretärin zu wissen gab, sondern auch über den alten Tierarzt. Das war der hauptsächliche Kick bei dieser Art von Arbeit, das Gefühl der Allwissenheit. Viele Spieleentwickler redeten darüber, doch das waren nur Hacker-Fantasien. Dieser Job bot keine animierten Puppen mit Comic-Titten, das hier war das echte Leben. Echte Menschen. Und wenn man gut war in diesem Job, gewann man tiefen Einblick in ihre privaten Leben, ihre Schlafzimmer, in was immer man wollte. Wenn man richtig gut war,

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