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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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des menschlichen Körpers unterdrückten. Die andere war gefüllt mit einem Reagens, für dessen Entwicklung Dr. Tarver ein ganzes Jahr benötigt hatte. Zwanzig Jahre genaugenommen, wenn man die gesamte Forschung zählte, die er hineingesteckt hatte, doch die Entwicklung dieser spezifische Lösung hatte ein Jahr gedauert. Das Reagens unterschied sich dramatisch von jenen, die er bei den übrigen Zielpersonen benutzt hatte. Aus diesem Grund war Tarver aufgeregt. Er verspürte eine extreme Wachheit, die nicht einmal dadurch gedämpft wurde, dass es seine letzte Operation war – worüber es nicht den geringsten Zweifel gab. Entweder hatte Rusk ihn belogen, oder Rusk war ein Narr. Ob nun das eine oder das andere, die Verbindung zu Rusk musste beendet werden. Doch es gab eine Reihe von Dingen, die Eldon vorher erledigen musste. Einige davon waren unangenehm, nicht jedoch dieses hier. Dieses hier war etwas, worauf er schon lange gewartet hatte, sehr lange.
    Er spazierte unbekümmert ins Schlafzimmer, ohne sich die geringste Mühe zu machen, leise zu sein. Dr. Shepard lag auf der Seite im Bett. Sein Mund stand ungewöhnlich weit offen, doch das war normal nach dem Einsatz des Gases. Eldon Tarver prägte sich die Position des Bettes genau ein, um sicherzustellen, dass er alles genau so verließ, wie er es vorgefunden hatte. Dann legte er die Spritzen auf eine Kommode, zog die Bettdecke von Shepard und rollte den Internisten auf den Bauch. Sodann nahm er eine kleine LED-Taschenlampe hervor, schaltete sie ein und ergriff die Spritze mit den Steroiden. Er kniete zwischen den Oberschenkeln von Shepard nieder, zog ihm die Boxershorts herunter und drückte eine Pobacke beiseite, sodass der Anus frei lag. Indem er die Lampe mit den Zähnen hielt, spreizte er den Anus des Doktors weit genug, um die Nadel einzuführen. Er injizierte die Steroide zwei Zentimeter innerhalb des Rektums. Dr. Shepard rührte sich kaum. Tarver wiederholte die Prozedur mit der zweiten Spritze, doch im letzten Moment zuckte Shepard im Schlaf mit dem Unterleib, und die Nadel drang gleich neben dem Rektum ein. Ein übler Fehler, doch nachdem die kleine Verletzung einmal verursacht war, war es wenig sinnvoll, die Nadel herauszuziehen und tiefer im Rektum erneut einzuführen.
    Tarver zögerte kurz, ehe er den Kolben eindrückte. Mehrmals im Verlauf des Tages hatte er überlegt, sein Experiment auszudehnen. Er hatte gewusst, dass der Junge im Haus war, und da er seine Forschung aller Wahrscheinlichkeit nach vorzeitig würde abbrechen müssen, bot der Knabe eine einzigartige Gelegenheit. Tarver hatte nicht genügend Lösung präpariert, um sowohl Shepard als auch seinen Sohn mit der vorberechneten Menge zu impfen, doch sein Instinkt sagte ihm, dass es wohl auch so ausreichte. Auf der anderen Seite war ein jugendliches Immunsystem möglicherweise widerstandsfähig genug, um das Virus zu überwinden. Angesichts so vieler Unbekannter fällte Tarver eine Entscheidung. Er drückte den Kolben der Spritze ganz hinein und gab dem Vater die volle Dosis.
    Der Junge würde am Leben bleiben.
    Tarver drehte Shepard wieder auf die Seite, deckte ihn zu, packte alles zurück in seinen Rucksack und ging rasch den Flur hinunter. Er fand den Knaben auf dem Sofa im Fernsehzimmer. Zu seiner Überraschung entdeckte er eine weitere Person, einen älteren Mann, der im Wohnzimmer auf dem Sofa schlief, drei leere Bierflaschen neben sich. Eldon hatte den Mann noch nie gesehen. Er nahm sein Mobiltelefon aus dem Rucksack, richtete die winzige Optik auf das Gesicht des Fremden und schoss ein Foto von ihm. Dann schob er die Hand in die Gesäßtasche des Mannes und suchte nach seiner Brieftasche.
    Als er keine fand, schaute er sich im Zimmer um. Am Fuß des Sofas, neben den Flaschen, stand ein Rucksack in Tarnfarben. Tarver öffnete ihn, und ein eigenartig taubes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Im Innern des Rucksacks lagen eine Pistole, ein Nachtsichtgerät, eine Dose Pfefferspray, eine Kamera und ein Paar Handschellen. Es dauerte mehrere Sekunden, bis Tarver sich von dem Schock erholt hatte, doch er legte alles genauso zurück, wie er es vorgefunden hatte.
    Er verließ das Haus über die Leiter im Bad und kehrte zu dem Rohr zurück, wo er sein winziges Loch mit Vielzweckband abdichtete. Zehn Minuten, nachdem er Dr. Shepard die beiden Injektionen gesetzt hatte, marschierte er eilig unter den Bäumen hindurch in Richtung Highway. Das Hochgefühl, das er anfangs im Innern des Hauses

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