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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Agentur dicht und gehe nach Virginia in den Ruhestand.«
    Chris nickte. »Sie kennen Alex von klein auf?«
    Kilmers Augen funkelten. »Vom Tag ihrer Geburt an! Der schlimmste Wildfang, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe! Sie schießt mit Waffen, seit sie acht Jahre alt ist. Sie wollen wissen, ob sie klug ist?« Kilmer schüttelte den Kopf. »Als sie vierzehn war, hab ich mich dumm gefühlt neben ihr. Und nicht nur ich.«
    Chris lachte. »Was ist mit ihrer Mordtheorie?«
    Kilmer presste die Lippen aufeinander und seufzte. »Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Aber ich sage Ihnen eins: Ich habe länger bei der Mordkommission gearbeitet, als irgendein Mensch dort arbeiten sollte, und ich denke, dass mehr Menschen in Scheidungssituationen ermordet wurden und werden, als irgendjemand vermutet oder ahnt – ganz besonders, bevor die Forensik so hoch entwickelt war wie heute. Ich hatte eine Menge Fälle, wo ich genau wusste, dass der Ehemann seine Frau um die Ecke gebracht und es wie einen Unfall hingedreht hatte. Genauso, wie ich wusste, dass der Grund sexueller Missbrauch war, wenn ich eine Mutter und ihre Töchter bei einem toten Ehemann fand. Doch Scheidung ist weiter verbreitet als Kindesmissbrauch.« Plötzlich sah Kilmer verlegen drein. »Hören Sie, nur weil ich denke, dass Alex vielleicht auf etwas gestoßen ist, heißt das noch lange nicht, dass ich auch denke, Ihre Frau betrügt Sie. Ich bin bloß hier, um Alex einen Gefallen zu tun.«
    »Ich verstehe. Ich kenne Alex erst seit ein paar Tagen, aber ich sehe bereits, warum Sie sie so sehr mögen.« Chris nahm einen Schluck von seinem Bier. »Ich frage mich allerdings, ob sie in den letzten paar Monaten so viel durchgemacht hat, dass sie ihre Sinne nicht mehr ganz beisammenhat.«
    Kilmer sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an, als dächte er über diese Möglichkeit nach. »Sie hat eine Menge durchgemacht, das stimmt. Und wahrscheinlich wissen Sie nicht mal das Schlimmste. Ich glaube, Alex hat den Kerl geliebt, der an jenem Tag erschossen wurde, als es sie erwischte. Er war verheiratet, und sie war nicht der Typ, der eine Familie zerstört. Es war ein verdammt schwerer Tag für sie. Sie verlor ihr halbes Gesicht und den Mann, den sie geliebt hat, alles innerhalb fünf Sekunden. Sie hat Schuldgefühle, weil sie ihn geliebt hat, und sie fühlt sich schuldig an seinem Tod. Eine Menge Leute würden unter einem solchen Druck zerbrechen. Doch wenn jemand es durchsteht, dann Alex.« Kilmer sah Chris in die Augen. »Wenn Alex glaubt, dass Sie in Gefahr sind, sollten Sie auf sich aufpassen. Sie ist ganz bestimmt nicht nach Natchez gekommen, um ihre Zeit an Ihnen zu verschwenden.« Kilmers gefurchtes Gesicht war von Jahren des Zigarettenrauchens ledrig und hart geworden, und sein Bauch war wahrscheinlich während vieler Jahre der Observationen und des schlechten Essens gewachsen. Wie viele Jahre hatte er sich selbst von seinem Leben genommen, indem er seinen damaligen Beruf ergriffen hatte? Würde Alex auch so aussehen, wenn sie siebzig war? Es erschien zweifelhaft, doch ihre Narben hatten sie auf diesem Weg bereits ein ganzes Stück weitergebracht.
    »Nun«, sagte Chris, wobei er sich erhob und seinen Teller zum Spülbecken trug. »Ich gehe bald ins Bett. Sie sind herzlich eingeladen, heute Nacht im Haus zu schlafen. Ich habe ein Gästezimmer gleich am Ende des Gangs, dort drüben.«
    »Wo ist Ihr Junge?«, fragte Kilmer.
    »Er ist im Fernsehzimmer eingeschlafen.« Chris zeigte Kilmer den Raum. »Dort, wo das schwache Licht brennt. Ich schlafe eine Tür weiter.«
    »Wenn er aufwacht und mich sieht, was sage ich ihm?«
    »Er wacht nicht auf. Falls doch, wecken Sie mich. Das ist am einfachsten.«
    Als Chris auf die Kühlschrankablage griff, um seinen Achtunddreißiger herunterzuholen, fiel ihm siedend heiß etwas ein. »Haben Sie einen Ausweis dabei, Mr. Kilmer?«, fragte er mit der Waffe in der Hand.
    Kilmer starrte ihn einen langen Augenblick schweigend an, ehe er nickte und zu seinem Rucksack ging. Er griff in die Tasche, und Chris spürte, wie sich Anspannung in ihm aufbaute, als stellte er sich innerlich auf Gewalt ein. Doch Kilmer zückte lediglich eine Brieftasche und zeigte Chris einen Führerschein, ausgestellt vom Staat Mississippi. Das gutmütige Gesicht auf dem Dokument passte zu dem Mann, der vor Chris stand.
    »Hier, sehen Sie.« Kilmer klappte ein Plastiketui auf. »Das ist Alex in jüngeren Tagen, zusammen mit mir und Jim.«
    Chris blickte

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