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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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in dem amateurhaften Versuch, ihm zu entwischen – hatte Eldon eines ganz deutlich gezeigt: Agentin Morse war allein. Sie hatte keine Rückendeckung. Weder vor Ort noch sonst irgendwo.
    Und doch hatte sie ihm eine schmerzhafte Lektion erteilt, die ihn um ein Haar hätte auffliegen lassen.
    Rückblickend war es besser, dass sie überlebt hatte. Wäre Alex Morse in jenem Carport gestorben, wären hundert Spezialagenten des FBI wie Heuschrecken über diese kleine Stadt in Mississippi hergefallen. Jetzt hingegen blieb Tarver genügend Zeit, das zu tun, was für eine saubere Flucht erforderlich war.
    Eldon schulterte seinen Rucksack und stieg langsam den Hügel hinauf. Ehe er das Haus erreichte, bog er nach rechts ab, umrundete die dichten Azaleen und begab sich zu der Stelle mit der Ansammlung von Wärmetauschern, die das Haus klimatisierten. Tarver hatte die Pläne studiert, die Rusk ihm zur Verfügung gestellt hatte, bis er das Haus in-und auswendig kannte. Er wusste beispielsweise, welche Klimageräte welche Bereiche kühlten, und bald schon würde er von diesem Wissen Gebrauch machen. Er umrundete das Haus weiter, vorbei an einem Freiluft-Jacuzzi und am Swimmingpool bis zu dem überdachten Durchgang, der zum Lagerraum führte. Es bestand ein gewisses Risiko, dass er aus einem verdunkelten Zimmer im Haus gesehen wurde, doch sein Instinkt sagte ihm, dass er sicher war. Er huschte in den Lagerraum, wo er eine Klappleiter herunterzog und auf den Dachboden stieg. Von dort aus konnte er den Dachboden des Haupthauses erreichen.
    Nachdem er seine breiten Schultern durch eine enge Öffnung gequetscht hatte, kam er in einem Wald aus Ständern und Tragbalken hervor. Indem er vorsichtig über die Tragbalken balancierte, legte er die zwölf Meter zu dem Rohr zurück, das er suchte.
    Tarver kramte in seinem Rucksack und brachte eine Respirator-Gasmaske zum Vorschein, die er sich sorgfältig über Nase und Mund stülpte. Dann setzte er sich eine an den Rändern abgedichtete Motorradbrille auf. Zum Schluss zog er ein Paar Latexhandschuhe an, griff erneut in den Rucksack und zog eine schwere, längliche Druckflasche hervor. Sie sah aus wie die C0 2 -Zylinder, mit denen Jugendliche ihre Paintball-Waffen betrieben. Er legte eine schwere Gummimatte über das Rohr, um die Vibration zu dämpfen; dann nahm er einen kleinen, batteriebetriebenen Handbohrer und bohrte ein Loch ins Metall. Schließlich klebte er ein dünnes Stück Gummi über das Loch, nahm die Druckflasche und rammte das spitze Ventil durch Gummi und Loch in das Rohr, wobei das Gummi als Dichtung diente.
    Sorgfältig kontrollierte er seine Vorrichtung ein letztes Mal, atmete tief durch und öffnete den Drehverschluss der Druckflasche.
    Das leise zischende Geräusch, das folgte, verschaffte Eldon Tarver ein Gefühl intensiver Befriedigung. Innerhalb von zwei Minuten würden der Mann und der Junge unten im Haus betäubt sein. Der Zustand würde bis zum Morgen anhalten, lange nachdem Eldon das Haus verlassen hatte.
    Das Gas in der Druckflasche konnte nirgendwo in den Vereinigten Staaten gekauft werden – es sei denn, der Käufer war die Regierung selbst. Tarver hatte das Gas von Edward Biddle, einem Bekannten von vor vielen Jahren. Biddle war früher Offizier der U.S. Army und mit einem Projekt betraut gewesen, an dem Dr. Tarver gearbeitet hatte. Das Gas war ein Reagens ähnlich dem, das die Russen bei ihrem Versuch benutzt hatten, siebenhundert Geiseln in einem Moskauer Theater aus den Händen von Terroristen zu befreien. Damals waren viele Menschen an dem Gas gestorben, doch die meisten waren ältere Leute gewesen, und die Dosierung war nicht genau ausgerechnet worden. Im Gegensatz zu den Russen wusste Dr. Tarver ganz genau, was er tat. Er saß zwei Minuten vollkommen still; dann bewegte er sich über die Tragbalken zu der Klapptreppe über dem Bad des Elternschlafzimmers. Er war sich seiner Sache so sicher, dass er in dieser Nacht sogar darauf verzichtet hatte, eine Schusswaffe mitzubringen. Eine unregistrierte Waffe war bei einer zufälligen Verkehrskontrolle der schnellste Weg in den Polizeigewahrsam.
    Indem er sich mit beiden Händen gegen einen Deckenbalken stemmte, drückte er die durch Federn gehaltene Leiter mit den Beinen nach unten und klappte sie aus. Dann nahm er seinen Rucksack und stieg nach unten, wo er eine Aluminium-Thermoskanne hervorzog, in der zwei aufgezogene Spritzen steckten. Eine enthielt eine Mischung aus Corticosteroiden, welche die Immunreaktionen

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