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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Edward Biddles Visitenkarte. Es läutete zweimal; dann meldete sich eine abgehackte, befehlsgewohnte Stimme.
    »Biddle hier.«
    »Hier ist Eldon Tarver, General.«
    Ein mit einem Schuss Ironie versetztes Lachen kam durch die Leitung. »Hallo, Doktor! Was kann ich für Sie tun?«
    »Es wird Zeit, dass ich umziehe.«
    Eine kurze Pause. »Haben Sie ein bestimmtes Ziel im Sinn?«
    »Ich würde gerne im Land bleiben.«
    »Verstehe.«
    »Ich benötige mit ziemlicher Sicherheit eine neue Identität.«
    »Ja.« Keine Sekunde des Zögerns. Ein gutes Zeichen. »Ich weiß, dass Sie an der Universitätsklinik der Ole Miss geforscht haben. Ich habe Ihre Arbeiten verfolgt, sporadisch jedenfalls. Interessantes Gebiet. Allerdings finde ich, dass Sie Ihre Talente nicht voll nutzen, Eldon.«
    Tarver lachte. »Die Vorschriften bezüglich meines Forschungsgebiets sind heutzutage klaustrophobisch, General. Aus diesem Grund habe ich seit einiger Zeit private Studien betrieben. Seit fünf Jahren, um genau zu sein.«
    »Interessant. Auf welchem Gebiet?«
    »Ähnlich dem, was wir am VCP gemacht haben.«
    »Tatsächlich?« Biddles Interesse war schlagartig geweckt.
    »Ja, Sir. Man könnte sagen, ich habe dort weitergemacht, wo wir aufhören mussten. Mit dem Unterschied, dass ich diesmal die erforderliche Ausrüstung hatte.«
    »Sehr interessant.«
    »Allerdings, Sir. Und bevor ich es vergesse – es waren keine In-Vitro-Experimente diesmal, Sir. Ich rede von In-Vivo-Studien.«
    »An Primaten?«, fragte Biddle.
    »Ausschließlich, Sir. Höhere Primaten, um genau zu sein.«
    »Ich bin fasziniert, Eldon. Ich habe das Gefühl, Ihre Arbeit könnte sich wunderbar ergänzen mit einer Reihe von Projekten, die unsere risikofreudigeren Mitarbeiter bei TransGene durchgeführt haben.«
    »Gleichgesinnte Kollegen wären eine nette Abwechslung, Sir.«
    »Das denke ich mir. An welchen zeitlichen Rahmen dachten Sie, was Ihren Umzug angeht?«
    »Zwei oder drei Tage, falls möglich. Vielleicht auch früher.«
    Eine kurze Pause. »Das ist selbstverständlich möglich. Sie und ich sollten unbedingt unter vier Augen miteinander reden. Wenn ich in den nächsten Tagen zu Ihnen käme, könnten wir uns treffen?«
    Eldon lächelte zufrieden. Biddle hatte nach dem Köder geschnappt. Jetzt musste er nur noch den Haken richtig präparieren, und das würde er bei der bevorstehenden Unterhaltung tun. »Absolut, Sir.«
    »Gut. Ich rufe Sie später zurück.«
    »Danke sehr, Sir.«
    »Ich danke Ihnen, Eldon. Es ist schön, dass wir endlich wieder zusammenarbeiten.«
    »Das finde ich auch.«
    Dr. Tarver legte auf, loggte sich in sein anonymes E-Mail- Konto und schickte Rusk eine Kopie ihrer Viagra-Spam. Es war eine kodierte Aufforderung, sich am folgenden Tag im Chickamauga Hunting Camp mit Tarver zu treffen anstatt im Annandale Golf Club, wie üblich. Es war Dr. Eldon Tarvers Version von Alufolie im Fenster. Sein geheimer Notruf.
    Nachdem er sich aus seinem Konto ausgeloggt hatte, riss er Biddles Karte aus dem Rolodex und steckte sie ein. Dann faltete er die gefaxten Seiten, die Neville Byrd ihm geschickt hatte, und schob sie in die gleiche Tasche.
    Seine gesamte Zukunft ruhte nun in einer Hosentasche.
    Es gab nur eine einzige Bedrohung für diese Zukunft: Andrew Rusk.
    Ohne Rusk war es für Alex Morse unmöglich, eine Verbindung zwischen Tarver und einem der Morde herzustellen. Und falls Biddle sich an sein Versprechen hielt, war Rusk spätestens am Abend des folgenden Tages tot und sein Schatz an Rohdiamanten Bestandteil von Tarvers heimlichem, unversteuertem Portfolio. Eldon erhob sich von seinem Platz und verließ sein Büro. Er sperrte die Tür hinter sich ab und ging den Korridor hinunter, um den Chef der Onkologie aufzusuchen.

37
    Alex war allein im Aufzug unterwegs zum fünften Stock der Universitätsklinik. Ihre Begeisterung wegen der möglichen Hilfe durch John Kaiser war verflogen, als sie von Chris erfahren hatte, dass er im Verlauf der Nacht wahrscheinlich eine Injektion unbekannter Art erhalten hatte. Da Kaiser noch immer eine Stunde südlich von Jackson war und die Uniklinik praktisch auf der anderen Straßenseite vom Cabot Lodge lag, hatte sie kurzerhand beschlossen, ihre Mutter zu besuchen.
    Als die Aufzugtüren sich öffneten, ging Alex über den Flur in die onkologische Abteilung. Es war kein fröhlicher Ort, trotz aller Bemühungen seitens Familienangehöriger und Krankenhauspersonal, eine hoffnungsvolle Atmosphäre zu schaffen. Alex war dankbar, dass es

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