Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
er höchst aufgebracht. Ich sollte dieses Gespräch lieber beenden, bis wir es auf offizieller Basis fortsetzen können.« Er blickte auf die Uhr. »Abgesehen davon muss ich jetzt wirklich dringend zu meinem Termin.«
    Er sammelte ein paar Unterlagen von seinem Schreibtisch ein; dann führte er seine Besucher vor sich her zur Tür. Als sie alle draußen auf dem Gang standen, schloss er hinter sich ab, wünschte ihnen einen guten Tag und eilte zu den Aufzügen davon.
    »Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe«, sagte Chris, während sie langsam über den Flur gingen.
    »Ein Schuss ins Dunkle ist besser als gar nichts«, erwiderte Alex.
    »Nicht immer. Sobald Pearson von dieser Unterhaltung erfährt, bin ich an dieser Institution eine Persona non grata.«
    »Nicht, wenn du wirklich so viele Patienten hierher überweist«, widersprach Alex. »Geld regiert die Welt. Außerdem ist meine Mutter Patientin hier. Mich können sie gar nicht rauswerfen, selbst wenn sie wollten.«
    Chris ging zu einer Bank gegenüber den Aufzügen und ließ sich darauffallen. Dr. Tarver war bereits verschwunden. Wahrscheinlich geradewegs in Dr. Pearsons Büro.
    »Ist alles okay?«, fragte Alex.
    »Ich weiß es nicht. Ich muss zurück ins Hotel, zumindest so lange, bis mein Magen sich wieder beruhigt hat.«
    »Kein Problem«, sagte sie. »Ich muss mein Telefon aufladen.« Sie drückte auf den Rufknopf neben den Aufzügen. »Was hältst du von Tarver?«
    Chris zuckte die Schultern. »Ein typischer Spezialist. Dieses Feuermal in seinem Gesicht ist wirklich ziemlich übel.«
    Sie nickte. »Ich habe ein eigenartiges Gefühl in seiner Gegenwart.«
    »Er will in dein Höschen.«
    »Nein, das ist es nicht.«
    Chris kicherte, als bereitete ihm richtiges Lachen Schmerzen. »Ich weiß, was du meinst. Aber wir sind in einer verzweifelten Situation.«
    Die Glocke ertönte, und die Aufzugtüren glitten zur Seite.
    Chris war bereits in die Kabine gestiegen, als ihr ein Gedanke kam. »Fahr schon mal runter. Ich muss noch mal zurück zu Pearson. Ich habe eine letzte Frage an ihn.«
    Chris hielt die Türen offen. »Was?«
    »Es ist zu dumm … Ich bin wahrscheinlich sentimental. Warte unten auf mich, okay?«
    »Rede mit mir, verdammt! Was ist es?«
    »Auf einem der Fotos steht Tarver vor einem Gebäude mit einem Banner über dem Eingang, auf dem etwas von kostenlosen Aids-Tests zu lesen ist. Es kam mir irgendwie bekannt vor. Ich glaube, es war früher ein Restaurant in der Innenstadt von Jackson, in das mein Dad mich mitgenommen hat, als ich ein Kind war. Wir haben dort gefrühstückt. Es hieß Pullo’s. Ich will nur wissen, ob ich mich irre oder nicht.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Absolut. Außerdem will ich wissen, warum sie dort Aids-Tests durchgeführt haben. Es ergibt keinen Sinn.«
    »Ich komme mit dir.« Chris machte Anstalten, aus dem Lift zu steigen.
    Sie schob ihn sanft, aber bestimmt zurück in die Kabine. Er war so schwach, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. »Ich bin gleich wieder bei dir. Setz dich auf eine Bank und warte auf mich, okay?«
    Er sank gegen die Wand der Kabine. »Okay.«

42
    Eldon Tarver stand hinter dem Stamm einer großen Eiche, den Blick unverwandt auf den Eingang der neuen Klinik für Intensivmedizin gerichtet. Er hatte beobachtet, wie Shepard in die Wolke aus Zigarettenrauch getreten war, verursacht von Patienten und Krankenhauspersonal, die sich vor dem Eingang ihre Nikotindosis holten, ehe sie ins Gebäude zurückkehrten. Wo steckte Agentin Morse? Betrieb sie etwa Klinkenputzen in der Einrichtung? Oder war sie bei Dr. Pearson im Büro und berichtete ihm von spezifischen Vermutungen ihrerseits? Eldon hatte keine Angst, doch jener Teil seines Gehirns, der Bedrohungen einschätzte und Antworten entwarf, arbeitete auf Hochtouren.
    Er konnte nicht in sein Büro zurück. Genauso wenig konnte er nach Hause fahren. Selbst das Primatenlabor war riskant … doch dieses Risiko musste er eingehen. Tarver bezweifelte, dass sie inzwischen sein Noel-Traver-Alias enttarnt hatten. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das möglich sein sollte. Andererseits – wie waren sie überhaupt so weit gekommen? Rusk, dachte er wütend. Ein dämlicher, geldgieriger Anwalt, was denn sonst. Eldon beglückwünschte sich im Stillen zu seiner Entscheidung vom Vortag, sich frühzeitig aus der Operation zurückzuziehen. Das Schicksal hatte ihm gezeigt, dass es keine Sekunde zu früh gewesen war.
    Sondern im Gegenteil bereits sehr spät.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher