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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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beabsichtigte Inszenierung. Ein beinahe unwiderstehlicher Impuls sagte Alex, den Jungen an sich zu reißen und mit ihm zu flüchten. Sie wusste, dass sie nichts damit erreichen konnte – aber war es nicht besser, bei dem Versuch zu sterben, als nichts zu tun?
    Die Beretta in Tarvers Hand hatte ihr beabsichtigtes Ziel gefunden und wurde ruhig. Wenigstens war Jamie bewusstlos und würde das Ende nicht miterleben. Alex schob die Arme unter seinen Körper und mühte sich, sein schlaffes Gewicht zu heben. Kein Schuss fiel.
    Warum feuert der Kerl nicht?
    Eldon Tarver stand mit geneigtem Kopf da und lauschte auf den Sturm draußen vor dem Haus. Alex folgte seinem Beispiel. Zuerst hörte sie nichts … dann schälte sich das charakteristische Pochen von Rotorblättern aus dem Prasseln des Regens, und sie wusste, dass John Kaisers Bell 430 wie die Kavallerie herangebraust kam, um die Belagerten zu befreien.
    »Schade, dass Ihr Plan so nicht funktionieren kann, Tarver«, sagte Alex und zwang sich zur gelassenen Gleichmut der Geisel-Unterhändlerin, die keinerlei persönliches Interesse an der Konfrontation besaß. »Sie können diese Geschichte niemandem verkaufen, egal was Sie tun. Allein die Tatsache, dass Sie hier sind, verrät alles.«
    Tarver trat einen Schritt auf sie zu und drückte den Lauf der Beretta gegen ihre Schläfe. Offensichtlich war er nicht überzeugt. Falls er sie jetzt erschoss, erkannte Alex, und dann fliehen konnte, würde seine Geschichte von einem tragischen Familienstreit in der Chefetage des FBI vielleicht immer noch durchgehen. Doch die Zeit spielte gegen ihn. Die Zeit und die Männer, die draußen aufmarschierten.
    Er hämmerte Alex die Waffe so heftig ins Gesicht, dass sie für einen Moment nichts mehr sah. Sie brach zusammen und fiel über Jamie. Rennende Schritte entfernten sich und kehrten kurz darauf zurück. Tarver riss Alex auf die Beine. Als ihr Sehvermögen wiederkehrte, sah sie, dass er eine Rolle Klebeband und ein Seil bei sich trug. Der Rucksack lag zu seinen Füßen.
    »Ein SWAT-Team vom FBI ist da draußen«, sagte sie. »Sie haben nicht den Hauch einer Chance.«
    Tarver schnitt ein Stück vom Seil ab, band damit Jamies Füße zusammen und fesselte ihn an das schwere Bein des danebenstehenden Sofas. »Sagen Sie mir, wer das Kommando hat.«
    »Ich bin die Unterhändlerin. Sie reden mit mir.«
    Er schlug sie erneut, diesmal auf die Nasenwurzel. Ein Blutschwall strömte über ihre Lippen und ihr Kinn. Blut spuckend zog sie ihr Mobiltelefon aus der Tasche und reichte es Tarver. »Wählen sie die Vier. Special Agent John Kaiser.«
    Tarver riss ein Stück Gewebeband ab und fesselte Alex’ Hände so geschickt, als würde er so etwas jeden Tag tun. Dann schob er ihr Handy in die Tasche, nahm sein eigenes hervor, drückte eine Taste und wartete. Alex kniete am Boden und hielt Jamie, so gut sie konnte. Das Wummern der Rotoren war leiser geworden, doch sie konnte es immer noch von der Rückseite des Hauses hören. War Kaiser zwischen Pool und Tennisplatz gelandet? Sie betete darum, dass die SWAT-Leute bereits um das Haus herum ausschwärmten.
    »Edward?«, fragte Tarver ins Telefon. »Wie nah sind Sie? … Zehn Minuten oder weniger. Bleiben Sie auf Höhe, bis ich Ihnen die endgültige Position durchgebe … genau.«
    Höhe?, dachte Alex. Hat Tarver etwa einen Hubschrauber in der Nähe?
    Jetzt nahm Tarver Alex’ Handy hervor, klappte es auf und drückte einen Knopf. »Spreche ich mit Agent Kaiser? Gut. Hören Sie genau zu, ich habe folgende Forderungen. Ich will, dass Sie einen Suburban des FBI mit geschwärzten Scheiben vor der Hintertür dieses Hauses parken und wieder verschwinden. Das ist die Seite, wo Ihr Helikopter steht. Außerdem verlange ich eine Cessna Citation mit einem Piloten, vollen Tanks und laufenden Motoren auf dem Madison County Airport. Ein Pilot des FBI ist akzeptabel. Versuchen Sie nicht, die Auffahrt zu blockieren, wenn wir losfahren. Kommen Sie nicht auf den Gedanken, mich zu fragen, ob Sie Agenten gegen meine Geiseln tauschen können. Der Suburban muss in spätestens zwanzig Minuten vor der Tür stehen … Halten Sie den Mund, Agent Kaiser, und hören Sie zu. Sie haben mir nichts zu erzählen … Nein, ich werde keine Drohungen ausstoßen. Hören Sie genau zu, und Sie werden die Gründe verstehen. Schießen Sie nicht, wenn sich die Hintertür öffnet. Der Fennell-Junge wird vor mir her gehen. Vergessen Sie nicht, in zwanzig Minuten will ich den Suburban vor der

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