Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
Tarver herrschte sie an: »Schneller!«
    Sie joggte beinahe. Kaiser musste einer Panik nahe sein. Tarver hatte die taktische Situation auf den Kopf gestellt. Verstärkungen konnten noch nicht eingetroffen sein, also musste Kaiser sich mit den Leuten begnügen, die bei ihm waren. Wahrscheinlich hatte er einen oder zwei seiner Männer auf dieser Seite des Hauses postiert. Sie würden ihm berichten, was sich hinter dem Haus ab spielte: Eine mit Koffern beladene Frau führte einen merkwürdig aussehenden Geist über den Rasen in Richtung Pier.
    Dann hatte Alex den Pier erreicht. Das Geräusch ihrer Schritte hallte trotz des prasselnden Regens von den gischtenden Wellen unter dem Brettersteg wider. Falls nicht ein nervöser Scharfschütze einen Fehler beging, würden sie das Bootshaus lebendig erreichen. Tarver hatte bereits bewiesen, dass er ohne Skrupel tötete, sodass nicht damit zu rechnen war, dass Kaiser einem seiner Männer den Feuerbefehl erteilte. Von seinem Standpunkt aus betrachtet saß Tarver in der Falle. Hundertdreißig Quadratkilometer Wasser mochten einem Mann mit einem Powerboat als verdammt breiter Fluchtweg erscheinen, aber wenn man einen Bell 430 voller SWAT-Leute unter seinem Kommando hatte, war das gar nichts.
    »Los, Bewegung!«, rief Tarver.
    Alex hörte ihr Handy leise läuten, während sie weitereilte, doch Tarver nahm das Gespräch nicht an. Ein Satz blieb in ihrem Gedächtnis haften, den er bei seinem letzten Telefongespräch von sich gegeben hatte: Bleiben Sie auf Höhe, bis ich Ihnen die endgültige Position durchgebe. Wer konnte durch die Luft zu Tarvers Rettung eilen? Ein ausländischer Geheimdienst? Das wäre ein kriegerischer Akt.
    »Öffnen Sie die Tür!«, brüllte Tarver.
    Sie hatte das Bootshaus erreicht. Alex stieß die Tür auf und fand sich in feuchter, stinkender Dunkelheit wieder. Das glänzende weiße Carrera Boat war bereits zu Wasser gelassen worden. Es dümpelte in den Wellen, die unter den modernden Wänden hindurchkamen.
    »Bringen Sie die Koffer ins Heck«, rief Tarver. »Beeilung!«
    Alex stellte den größeren der beiden Koffer ab und kletterte vorsichtig in das stampfende Powerboat. Sie verstaute den weißen Koffer im Heck nahe den beiden riesigen Außenbordern.
    »Jetzt den anderen!«
    Alex kletterte wieder auf den Steg und holte den gelben Koffer. Während sie ihn im Heck unterbrachte, dachte sie darüber nach, wie sauber geplant diese Flucht war. Die wasserdichten Koffer waren vor langer Zeit geordert worden, als Vorbereitung für einen Fall wie diesen. Selbst wenn die prall gefüllten Pelicans ins Wasser fielen, schwammen sie an der Oberfläche, anstatt zu versinken, und ihr Gelb und Weiß war aus der Luft bestens zu erkennen.
    »Gehen Sie zum Bug!«, befahl Tarver, der immer noch mit Jamie unter dem Laken wartete.
    Alex legte den Rucksack ab und ging nach vorn zu der gepolsterten Fläche, wo normalerweise Leute ihr Sonnenbad nahmen oder Bier tranken, während andere Wasserski liefen. Eine große Hand schoss unter dem Laken hervor und packte ihr Handgelenk.
    »Los, halten Sie die Hände zusammen!«, befahl Tarver.
    Zwei Sekunden später schlang er ein langes Stück Gewebeband um die Handgelenke. Sobald sie gefesselt war, benutzte er beide Hände und wickelte weiteres Band um ihre Gelenke, bis sie das Gefühl hatte, er würde ihr das Blut abschnüren.
    Ihr Handy läutete erneut.
    Diesmal antwortete Tarver. »Eine Änderung des Plans, Kaiser. Ich unternehme eine Bootsfahrt. Wenn Ihr Hubschrauber sich auf weniger als dreihundert Meter nähert, töte ich den Jungen auf der Stelle.«
    Tarver blieb unter dem Laken, als er hinter das Steuer trat und die Motoren des Carrera startete. Das Boot erzitterte unter ihrer Kraft; dann bewegte es sich vorwärts und wurde beständig schneller, als es aus dem Bootshaus hinaus in den peitschenden Regen jagte.
    Sobald es im Freien war, erbebte es unter dem Anprall der Wellen gegen den Bug, doch die Motoren drehten hoch, und das schnittige Fahrzeug sprang von Wellenkamm zu Wellenkamm. Alex versuchte klar zu denken, doch ihre Lage erschien hoffnungslos. Kaiser glaubte vermutlich, dass Tarver einen fatalen Fehler beging, doch Alex wusste es besser. Irgendwo da draußen wartete ein weiterer Helikopter nur darauf, den Doktor an Bord zu nehmen und in die Freiheit zu tragen. Sie wollte Kaiser ein Signal geben – mit Sicherheit beobachtete ein Scharfschütze die Vorgänge an Bord durch ein Fernglas doch Tarver starrte durch die Augenlöcher

Weitere Kostenlose Bücher