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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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zögern, ihn über Bord zu werfen, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Doch es war kein Gegenstand zu sehen, der sich zum Schneiden geeignet hätte.
    Erneut drang das Geräusch von Rotorblättern an Alex’ Ohren, und sie erstarrte. War das der Komplize Tarvers? Oder hatte Kaiser Verstärkung aus der Luft angefordert? Die Highway Patrol und die Drogenfahndung hatten zweifellos Helikopter in Jackson stationiert, ganz zu schweigen von den Sheriff’s Departments der umliegenden Countys.
    Sie hörte, wie der Hubschrauber am schwarzen Himmel tiefer ging, doch so sehr sie sich bemühte, sie konnte ihn nicht sehen. Das Rotorgeräusch wuchs zu einem Brüllen an. Dann flammten fünfzig Meter über dem Boot Scheinwerfer auf. Kein Wunder, dass sie das verdammte Ding nicht hatte sehen können! Es war dunkelgrau und kaum vom Himmel zu unterscheiden. Während sie beobachtete, wie der Hubschrauber tiefer ging, erstarb in ihr jegliche Hoffnung. Tarver redete über sein Handy mit dem Piloten und führte ihn vorsichtig näher.
    Die von den Rotoren gepeitschte Luft warf Alex auf das Deck, und statische Elektrizität knisterte rings um das Boot. Als Tarver über den Lärm hinweg brüllte, wurde Alex mit einem Mal bewusst, warum er das Seil noch nicht durchtrennt hatte, das ihn und Jamie aneinanderfesselte: Das FBI war gefährlich nah, und Tarver benötigte eine Versicherung, die sein Überleben garantierte.
    Jamie war diese Versicherung.

54
    Der graue Helikopter schwebte im Regen neben dem Speedboat so tief über dem Wasser, dass die Kufen von den Wellen überspült wurden. Eine Luke wurde geöffnet, die so breit war, dass ein Trupp Marines gleichzeitig hindurchgepasst hätte. Auf ein Zeichen von Tarver hin sprang ein schwarzer Mann aus dem Helikopter ins Boot hinunter.
    »Laden Sie die Koffer ein!«, rief Tarver ihm zu und deutete auf die beiden Pelicans im Heck.
    Während der Schwarze zum Heck huschte, durchtrennte Tarver das Seil, das ihn mit Jamie verband, und wickelte sich das freie Ende wie eine Hundeleine um die Hand. Alex stand auf. Sie wartete auf eine Chance, etwas zu unternehmen – irgendetwas. Tarver schob seine Pistole in den Hosenbund; dann zog er das Hochleistungsgewehr aus dem Skifach und warf es in den wartenden Helikopter.
    Der Schwarze hatte den ersten Koffer bereits eingeladen und holte nun den zweiten. Tarver packte Jamie und klemmte ihn sich unter den Arm, als wäre er leicht wie eine Feder. Dann stellte er den rechten Fuß aufs Dollbord und machte Anstalten, Jamie in den schaukelnden Hubschrauber zu werfen.
    »Tante Alex!«, kreischte Jamie voller Entsetzen. »Hilfe!«
    Während Jamie sich mit Händen und Füßen gegen Tarver zur Wehr setzte, sprang Alex vor und streckte die Hand nach der Pistole aus, die Tarver im Rücken im Hosenbund stecken hatte. Ihre Finger schlossen sich um den Griff, und …
    Dann lag sie rücklings auf dem Deck und starrte nach oben. Ihre rechte Gesichtshälfte war taub. Sie sah ein verschwommenes Bild des Schwarzen, der mit einer Pistole in der Hand auf sie herunterstarrte. In der Gewissheit, sie ausgeschaltet zu haben, unternahm er noch zwei Trips zum Heck des Carrera. Als er zum letzten Mal über Alex hinwegstieg, Tarvers Rucksack in der Hand, stemmte sie sich auf einen Ellbogen, dann auf die Knie. Sie starrte über das schwankende Dollbord und sah Tarver aus dem Hubschrauber herübergrinsen, während der Schwarze die Koffer im Innern sicherte.
    Jamie war nirgendwo zu sehen.
    Als Tarver sich abwandte, um dem Schwarzen zu helfen, bemerkte Alex den Piloten des Hubschraubers. Ihr stockte der Atem. Es war der grauhaarige Mann, der ihr am Vortag in Tarvers Praxis begegnet war. In diesem einen Moment wurde ihr bewusst, dass er der Offizier war, der auf dem Foto in Tarvers Büro zusammen mit Tarver und der blonden Frau vor dem VCP-Gebäude stand. Dann entdeckte sie Jamie, der hinter dem Piloten in einen Sitz geschnallt war. Sein Gesicht war eine Maske der Furcht. Alex sah die angsterfüllten Augen ihrer Schwester auf dem Sterbebett. Grace war in dem furchtbaren Wissen gestorben, dass sie ihren Sohn in den Händen eines Ungeheuers zurückließ.
    Alex sah sich verzweifelt auf dem Boot um, doch Tarver hatte nichts zurückgelassen. Keine Leuchtpistole, keine Axt, absolut nichts. Selbst den Schlüssel hatte er mitgenommen. Sobald der Hubschrauber abgehoben hatte, war Alex allein im tosenden Sturm, und Jamie wäre für immer verloren. Sie schrie aus tiefster Verzweiflung und

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