Leitfaden China
Details und schicksalshafte Begebenheiten in immer demselben Tonfall und mit kaum angedeuteten Gesten aneinander, als gebe er die monotone, melancholische und sachliche Auflistung von Gegenständen wieder, die einem Feuer entgangen waren. Hara Kei hörte zu, ohne dass auch nur der Schatten eines Gefühls seine Gesichtszüge verwirrte. Er hing an Hervé Joncours Lippen, als seien sie die Zeilen eines Abschiedsbriefes. … Frankreich, die Schiffsreisen, der Duft der Maulbeerbäume von Lavilledieu, die Dampflokomotiven, die Stimme von Hélène (seiner Frau).
Hervé Joncour fuhr fort, sein Leben zu erzählen, wie er es noch nie in seinem Leben getan hatte
.» (Zusatz und Akzentuierungen durch mich).
Ich habe immer noch den Satz eines Hong Kong Tycoons in den Ohren, der mir aus einem Vortrag in Zürich geblieben ist. «Wenn du ein Halunke bist, wirst du mit einem Halunken enden». Das Halunke bezieht sich dabei nicht auf die Bauernschläue, die im Geschäft mit China sehr wohl vorhanden sein muss, sondern das ethisch nicht zulässige Verhalten. Personenbeziehungen sind auch deshalb so wichtig, weil in einer guten Beziehung die gegenseitigen Verpflichtungsmuster allein die Ethik garantieren. Dies im übrigen in einer Zuverlässigkeit, wie sie im Westen kaum erreicht wird. Nur wenn die Beziehung gut ist, wenn absolutes Vertrauen auf beiden Seiten vorhanden ist, sind die Geschäfte mit Chinesen oder die Führung eines ausländischen Unternehmens relativ risikolos. Ist dies nicht der Fall, dann sind Geschäfte oder Investitionen in China mit hohen Risiken belastet. Dann gehört der Ausländer nämlich immer noch zum Aussenbereich, in dem nur die Überlebensregeln gelten und keine Ethik im westlichen Sinn besteht. Daran wird selbst die grössere Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft kaum etwas ändern, geschweige denn ein existierender Vertrag. Auf das andere Rechtsverständnis komme ich noch zu sprechen. China bleibt eine Schamgesellschaft.
Bei einem ersten Kontakt geht es deshalb oft darum, die Person zu finden, mit der man sich in Zukunft vorstellen könnte, geschäftlich zusammenzuarbeiten. Ein Gespräch, bei dem die Chemie zwischen den beiden potentiellen Geschäftspartnern nicht stimmt, würde ich persönlich nicht zu einer Geschäftsbeziehung weiterentwickeln. Allerdings ist mit einem positiven Gespräch auch nur ein Anfang gemacht. Zudem ist dieser Anfang noch belastet, denn die Tatsache, dass die chinesische Seite einem Gast gegenüber sehr höflich ist, verleitete manchmal Geschäftsleute dazu, Waren ohne Sicherheiten zu liefern, wie dies in einem europäischen Umfeld kaum der Fall wäre. Sie hatten sich auf Grund der Verhandlungen, die im Modell im mittleren Kurvensegment anzusiedeln sind, verleiten lassen, das grössere Eingehen auf den potentiellen Geschäftspartner mit einer bereits existierenden höheren Vertrauensbasis gleichzusetzen! «Wenn du ein Halunke bist, wirst du mit einem Halunken enden», ist selbstverständlich in beiden Richtungen zu verstehen. Wenn die westliche Geschäftsfrau oder der Geschäftsmann seriös sind, heisst dies noch lange nicht, dass ein potentieller chinesischer Geschäftspartner dies ebenfalls ist. Genau dieser Punkt muss sich in der Folge in längerer Zeit und in grösseren Geschäften zeigen.
Im Gegensatz zu Europa, wo man nicht belanglos über Wetter sprechen soll, ist dies im Kontakt mit Chinesen ein bevorzugtes Thema, gerade weil es so belanglos ist. Will man über diese Belanglosigkeit hinweggehen und zu anderen Themen vorstossen, dann sind Bewunderung für das Gastland, die Stadt, in der man sich gerade befindet oder das Unternehmen, das man gerade besucht hat, nächste Trittsteine auf dem Weg zu persönlicheren Fragen und Informationen. Sie erlauben eine positive Atmosphäre, die einem erfolgreichen Gespräch immer zu Grunde liegen muss. Positiv ist in diesem Mittelteil der Modellkurve alles, was dem Ansehen des Gegenübers nützt, was ihm eben auch «Gesicht gibt und Gesicht erlaubt». Das Harmonieempfinden in diesem Innenbereich des Verhaltens ist ganz zentral, vom Erfolg des Schaffens dieser Atmosphäre kann ein erfolgreicher Vertragsabschluss direkt abhängen. Hüten sollte man sich allerdings vor Komplimenten, die aus reiner Höflichkeit gemacht werden und die nicht den Tatsachen entsprechen, dies wird das chinesische Gegenüber sehr schnell merken.
Das nächste Thema ist die Familie, über die jeder Chinese in der Regel gerne spricht. Dieses Thema ist auch der
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