Leitfaden China
die Rede ist, dann findet er nirgends so intensiv und ausgeprägt statt wie auf dem chinesischen Festland.
Dieses andere Wettbewerbsverhalten würde es in meinen Augen angeraten erscheinen lassen, bei einem Marktauftritt einer westlichen Gruppe die gruppeninternen Differenzen aufzugeben und die oft mangelnde Koordination zwischen den verschiedenen Profit Centers stark zu verbessern. In China sollte als Gruppe oder Holding und nicht als Einzelmarke oder Einzeldivision aufgetreten werden. Ein solches Vorgehen schwächt die eigene Durchschlagskraft zu stark. Und gerade auf diese konzentrierte Macht kommt es in vielen Problemlagen in China an.
7. Zusammenfassende Bemerkungen
Loyalität gilt in China in der eigenen Familie. In einem Unternehmen muss sie auf der Grundlage einer neuen, grösseren Familie erarbeitet werden. Gelingt dies nicht, kann fehlende Loyalität zum Hauptproblem der Unternehmensführung werden.
Chinesisches Rechtsverständnis ist anders als westliches Verständnis, weil einerseits die Wirklichkeit als Fluss verstanden wird, in der ausser Personenbeziehungen nichts stabil ist. Andererseits ist, wie früher gesagt, China eine Schamgesellschaft, in der Gruppennormen wesentlich wichtiger sind als die Gesetze der Gesamtgesellschaft.
Planung im westlichen Sinn, wo ein Endresultat mit der heutigen Ausgangssituation verbunden wird, ist in China schwierig. Damit wird auch eine Risikobegrenzung unmöglich. Die Risiken sind in einem chinesischen Umfeld wesentlich höher und umfassender als in westlichen Verhältnissen.
Chinesisches Kundenverhalten ist aktiv. Enttäuschungen werden nicht hingenommen, sondern gegenüber dem verursachenden Unternehmen vertreten. Diese Haltung wird namentlich für Grossunternehmen im Zeitalter der Blogs wichtig, denn Unzufriedenheit lässt sich mit den Mitteln des Internets sehr schnell verbreiten.
Geschenke sind in der chinesischen Kollektivgesellschaft wichtig. Sie sind nicht mit Korruption gleichzusetzen, wenn ihr Wert den Normen entspricht. Erst wenn das Geschenk weit über das hinausgeht, was für den entsprechenden Fall normalerweise die Regel ist, wird ein Geschenk auch in China zu Korruption.
Chinesisches Wettbewerbsverhalten ist anders als westliches Verhalten. Während die Gruppe durch einen hohen Wettbewerb unter den Mitgliedern gekennzeichnet ist, kann sie dieses Verhalten bei Druck von aussen völlig verändern und die Reihen schliessen. Wettbewerb und Schulterschluss kennzeichnen dieses Verhalten.
Fünftes Kapitel
Führung in einer globalen Welt
Mit der wachsenden Vernetzung der Weltwirtschaft ist die Frage nach den Kriterien von Führungserfolg in einem globalen Umfeld immer stärker geworden. Historische Wurzeln tragen dazu bei, dass diese Kriterien immer noch als relativ unverrückbar gelten und als westlich geprägt angesehen werden müssen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren Auslandposten im Wesentlichen auf die anderen entwickelten Länder mit westlichem Kulturhintergrund beschränkt. Auch in diesen Regionen waren die kulturellen Unterschiede vorhanden, beispielsweise zwischen den USA und Deutschland, doch sie waren zu bewältigen. Empirische Untersuchungen zum Abbruch von Auslandeinsätzen am Ende des ausgehenden 20. Jahrhunderts (Zeira & Banai, 1981, Lindner 1999, beide zit. in Bergemann & Sourisseaux, S. 182) zeigten auf, dass Entsendungen in Unternehmen, die in Europa ansässig sind, lediglich eine Abbruchqote von 5% aufweisen, während die Abbruchquote für Entsendungen in Entwicklungsländer bis auf 70% hochschnellte.
Zwar waren in der Kolonialzeit auch Auslandentsendungen in anderskulturelle Regionen notwendig. Doch diese in der weiteren Welt eingesetzten europäischen Führungskräfte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchten wenn immer möglich in den Gastländern einen europäischen Lebensstil weiterzuführen. Selbst unter diesen Umständen waren die Schwierigkeiten gross, mit denen sich diese ersten Expatriates auseinanderzusetzen hatten. Viele literarische Zeugnisse wie jene von Rudyard Kipling oder Joseph Conrad zeigen diese Schwierigkeiten ebenso auf wie biographische oder historische Darstellungen. Interessant ist im Zusammenhang mit China beispielsweise das Werk «China Consuls» von P. D. Coates (1988), der im Anhang die Liste der diplomatischen Vertreter der englischen Krone in China von 1843 bis 1943 aufführt, soweit sie von ihm erarbeitet werden konnte. Von 309 aufgeführten Personen
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