Leitfaden China
beendeten 63,7% ihre Arbeit früher als geplant. Von diesen 63,7% wurden 25,5% krank, 19,4% starben, 1,6% wurden psychisch krank und 2% begingen Selbstmord. 15,2% gaben frühzeitig auf, weil sie entweder eigene Gründe hatten, entlassen wurden, oder weil sie Chinesinnen geheiratet hatten, ein unverzeihlicher «Fehltritt» bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein – übrigens auch für Entsandte von vielen europäischen Unternehmen.
Erste Werke zum internationalen Management kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Entscheidend dürfte das immer grössere Investitionsvolumen der USA in Europa gewesen sein (s. von Keller, 1989). Von Keller sagt denn auch (1989, S. 234): «Die Länderauswahl der Vergleichsstudien spiegelt zum einen die Schwerpunkte der Investitions- und Handelsverflechtungen der USA wider und zum anderen das Interesse an ‹exotischen› Ländern, die die Chance bieten, die Variationsbreite kultureller Variablen … zu maximieren.» Der Durchbruch zu einer differenzierteren Sicht in Bezug auf internationales Personalmanagement kam jedoch erst später, einerseits mit der Ölkrise und dem sie begleitenden Reichtum im Mittleren Osten, andererseits mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Japans nach dem Zweiten Weltkrieg und der folgenden Entwicklung der asiatischen Schwellenländer (Welge & Holtbrügge, 2003, S. 14ff, S. 37, Dülfer, 2002, S. 91). Bis in die sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte sich das westliche Zivilisationsmuster weltweit ungehindert verbreiten können. Nach der Schlacht am Kahlenberg bei Wien und der türkischen Niederlage im Jahre 1683 hat es bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine aussereuropäische Region mehr geschafft, diese zivilisatorische Vorherrschaft Europas in Frage zu stellen. Sowohl im Mittleren Osten wie in Asien setzen sich nun seit dem 20. Jahrhunderts aussereuropäische Nationen im Weltwirtschaftsnetz durch. Sie begannen ihre kulturelle Eigenständigkeit immer mehr zu unterstreichen. Diese Länder haben die wirtschaftliche und politische Macht erlangt, um sich neben dem westlichen Kulturkreis festsetzen zu können und allein damit eine Herausforderung an die «alte» und die «neue» Welt zu schaffen. Es erstaunt deshalb nicht, dass interkulturelle Kompetenz bei einem Auslandeinsatz immer wichtiger wird. In einer Umfrage von Fritz und Möllenberg anfangs des 21. Jahrhunderts bekamen die Autoren von 95% resp. 90% der Befragten bestätigt, dass diese Kompetenz für Einsätze in Asien und in islamischen Ländern sehr wichtig sei. Als sehr wichtig wurde die interkulturelle Kompetenz für Schwarzafrika immerhin noch in 65% der Antworten genannt, für Lateinamerika waren es noch 55%. Für die Europäische Union und Australien hingegen erwähnten nur noch 40% der Personen die Wichtigkeit von interkulturellem Wissen, Nordamerika wurde mit der tiefsten Rate von 35% bedacht. Neben der Dominanz Asiens und der islamischen Länder ist namentlich die Tatsache, dass offenbar Operationen in anderen EU-Ländern als schwieriger angesehen werden als ein Einsatz in den USA oder Kanada (Fritz & Möllenberg, 2003, S. 299) ein bemerkenswertes Resultat der Umfrage. Der amerikanische Forscher Kealey fasst seine Untersuchungen zu Abbruchquoten und Effektivität eines Einsatzes von amerikanischen Geschäftsleute 1996 im folgenden Kommentar zusammen: «Failure rates as measured by early returns, are about 15 bis 40% for American business personnel, and of those who stay, less than 50% perform adequately» (Kealey, 1996, S. 83).
Die Gründe für einen Einsatzabbruch sind heute nur noch teilweise mit jenen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zu vergleichen, sie sind oft auch weniger dramatisch. Empirische Forschungen zum Einsatzabbruch zeigen, dass heute in amerikanischen und europäischen Firmen die mangelnde Anpassungsfähigkeit des Ehepartners und erst in zweiter Linie Probleme des Managers selbst den Hauptgrund für den Abbruch eines Auslandeinsatzes darstellt. In Japan, wo die Unternehmen meist die Entsendung des Managers ohne Familie veranlassen (tanjin funin System), scheint es eine Kombination von Anpassungsschwierigkeiten und neuen Verantwortungen der entsandten Person zu sein. Die psychischen Belastungen eines solchen Einsatzes bleiben hingegen bis heute relativ hoch. Schröder (1995, S. 143) schreibt denn auch: «Selbst in Fällen, in denen der Auslandseinsatz planmässig beendet wird, muss davon ausgegangen werden, dass ein optimaler
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