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Leitfaden China

Leitfaden China

Titel: Leitfaden China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Roth
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zusammenarbeiten musste. Allein zu sein in einer feindlichen Umwelt hätte einen schnellen Bedeutungsverlust mit sich gebracht. So blieb nur ein Teil eines Geschenkes tatsächlich in der Tasche des Oberhauptes, das meiste wurde weiterverteilt, einerseits aus materieller Notwendigkeit, andererseits aus taktischen Überlegungen.
    Die Probleme der Korruption in diesem System sind in Japan und Korea aus zwei Gründen deutlich geworden. Erstens ist sich das Volk mit den verschiedenen politischen Skandalen bewusst geworden, wie hoch die Summen waren, die zum Teil die Hand gewechselt hatten. Zweitens ist es in einer funktionierenden Demokratie nicht mehr akzeptabel, dass für Geschenke öffentliche Gelder verwendet werden. Das System als solches wird nach wie vor angewendet und nicht wirklich kritisiert oder gar in Frage gestellt. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich aus wirtschaftlicher Sicht die oft zitierte mangelnde Effizienz dieser verwendeten Geldmittel nicht einsehe. Nur muss die Effizienz in einer anderen Weise definiert werden. Wirtschaftliche Effizienz kann in einer Kollektivgesellschaft durchaus auch durch die Stärkung des Netzwerkes erreicht werden und muss nicht gezielt und direkt allein die betriebswirtschaftlichen Komponenten betreffen. Ich behaupte nach wie vor, die Liftfräuleins in japanischen Warenhäusern seien wirtschaftlich effizient – allerdings im Sinn einer Kollektivgesellschaft. Sie stärken die Kundenorientierung des Warenhauses und wirken damit nur indirekt auf den Geschäftserfolg. Aber sie sind genauso Teil dieses Erfolgs, wie eine betriebswirtschaftlich motivierte direkte PR Kampagne. Das viel längerfristige Denken asiatischer Unternehmen ist hier der Erklärungsgrund, der auch diese Investitionen wirtschaftlich rechtfertigt.
    Es ist gerade heute für ein Unternehmen angeraten, sich über diese Grundlagen des ursprünglichen Geschenkegebens und –nehmens Gedanken zu machen. Nur so können Lösungen gefunden werden, die in der heutigen westlichen und östlichen Rechtslandschaft nicht die Anklage der Korruption mit sich bringen. Denn genauso wie der Steuerzahler nicht akzeptiert, dass seine Steuern für Geschenke missbraucht werden, genauso wenig wird der Aktionär akzeptieren, dass dies mit seinen finanziellen Anlagen geschieht.

    6. Chinesisches Wettbewerbsverhalten
    Chinesisches Wettbewerbsdenken ist sehr ausgeprägt und kann wohl ebenfalls als Resultat einer Mangelwirtschaft verstanden werden. Zusammen mit den Charakteristiken einer Kollektivgesellschaft ergibt sich eine hohe Dynamik, die sich vom Wettbewerbsstreben im Westen in vieler Hinsicht beträchtlich unterscheidet.
    Die Dynamik hat ihren Ursprung in der eigenen Gruppe. Auch innerhalb einer Gruppe oder innerhalb einer Abteilung in einem Unternehmen ist der Wettbewerb ausgesprochen hoch und funktioniert im Prinzip nach dem Muster jeder gegen jeden. Gerät die Gruppe jedoch unter Wettbewerbsdruck durch eine andere Gruppe, dann schliessen sich die Mitglieder der Gruppe normalerweise zusammen und lassen Differenzen in den eigenen Reihen nach aussen nicht mehr ersichtlich werden. Die volle Energie der Gruppe wird dann zur Abwehr gegen die andere Gruppe mobilisiert. Das Verhaltensmuster könnte etwas plakativ mit «Wettbewerb und Schulterschluss» umschrieben werden und beruht auf der Struktur und Dynamik einer Kollektivgesellschaft. Preisabsprachen sind aus diesem Grund weniger zu erwarten, als im westlichen Umfeld, so lange dieser Wettbewerb funktioniert oder der chinesische Staat nicht gesamtwirtschaftliche Interessen durchsetzt. In anderen Situationen ist es hingegen gang und gäbe, dass der Wettbewerb gesteuert und beispielsweise als Oligopol unter den betreffenden Unternehmen organisiert wird.

    Graphik 5: Wettbewerb und Schulterschluss
    Diese Abschottung der eigenen Gruppe gegen aussen ist besonders auch unter Mitgliedern von Kollektivgesellschaften in der Diaspora zu beobachten. Die Differenzen zwischen verschiedenen Mitgliedern der eigenen Ethnie werden in einer Gastgesellschaft nicht nach aussen getragen, die Blutsverwandtschaft der Ethnie ist die äusserste Grenze der internen Probleme. Diese dringen nicht über diese Grenze hinaus.
    Der Unterschied von Eigengruppe zu Fremdgruppe bringt es mit sich, dass der Wettbewerb nach aussen mit allen Mitteln geführt wird. Mit Cut-Throat-Competition wurde in maoistischer Zeit das kapitalistische Wirtschaftshandeln umschrieben. Wenn hingegen heute wirklich von Wettbewerb

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