Leitfaden China
Arbeitseinsatz durch vielerlei Friktionen über die Gesamtdauer des Auslandsaufenthaltes hinweg behindert ist». Gerade für China dürfte dies zweifellos zutreffen. Bei einem Einsatz in einer kulturell stark unterschiedlichen Umgebung sollte deshalb nach wie vor der Gesundheitsfaktor nicht unterschätzt werden. Auch die Kosten eines Einsatzabbruchs für Staat oder Privatunternehmen dürften bis heute ähnlich hoch geblieben sein und betragen nach Schätzungen von Harvey (1983) oder Miller (1989) (beide zit. in Kühlmann, 1995, S. 31) das Drei-bis Vierfache des Jahresgehalts eines Mitarbeiters.
Die weltwirtschaftliche Entwicklung drängte deshalb auch die komparative Führungsforschung in eine neue Richtung. Als Schlüsselwerk nach vielen Einzelländerstudien oder Vergleichsstudien ist hier Geert Hofstedes (2001) erstes und grösstes Werk «Culture’s Consequences» zu nennen, das 1980 erschienen ist. Im Bereich der politischen Analyse wäre es der Artikel «Clash of Civilizations» in der Zeitschrift Foreign Affairs von Samuel Huntington im Sommer 1993, der in unübersehbarer Weise auf die interkulturellen Fragen im geopolitischen Umfeld hingewiesen hat. Nach wie vor bleibt allerdings das Feld der Studien durch quantitativ-statistische Untersuchungen dominiert, was gerade auch auf dem Hintergrund der grossen Äquivalenzprobleme der vergleichenden Forschung beträchtliche Fragen aufwirft. Es fehlt immer noch an praxisbezogenen, qualitativ orientierten Studien zur Thematik. Auch die Literatur beschränkt sich weitgehend auf die phänomenologische Ebene, weitergehende Erklärungen zum Scheitern werden selten gesucht.
Dies ist umso problematischer, als Fragen um Erfolg und Misserfolg in der internationalen Führung seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts plötzlich andere kulturelle Dimensionen angenommen haben. «International» ist seither nicht mehr ein auf die ganze Welt bezogenes «europäisch» oder «amerikanisch», sondern muss aussereuropäische Kulturmuster in die Betrachtung miteinbeziehen. Der wirtschaftliche – und damit verbunden der politische – Aufschwung des Mittleren Ostens und Ostasiens hat eine kulturelle Herausforderung an die westliche Zivilisation geschaffen, welche das 21. Jahrhundert prägen dürfte.
1. Theorien zu Führung und Führungserfolg
Führung und Führungserfolg können aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Bis heute ist der eignungstheoretische oder «personalistische» Ansatz direkt oder indirekt sowohl in der Praxis wie in der Forschung wichtig geblieben. Führung und Führungserfolg wurden dabei als Funktion von bestimmten Personenmerkmalen gesehen. Der Führer schafft es auf Grund persönlicher Charaktereigenschaften, die Führungsrolle überhaupt zu erhalten und sie dann auch entsprechend erfolgreich auszufüllen.
Die wissenschaftlichen Reaktionen auf diese personalistischen Theorien wiesen deshalb erwartungsgemäss darauf hin, dass auch
die Situation
, in der Führungsverhalten stattfindet, einen Einfluss auf das Führungshandeln und damit den Führungserfolg ausübt. Diese Richtung kritisiert die einseitige Sicht der eigenschafts-oder verhaltensbezogenen Führungsforschung und unterstreicht, dass Führung auch situationsbezogen betrachtet werden muss, insbesondere was die Beziehung zwischen Führungsperson und Geführten anbelangt, beispielsweise im Führungsstil.
Gerade für das internationalen Management stellen sich hier grundsätzliche Fragen, auf die kurz eingegangen werden soll. Ich beginne deshalb zuerst mit einem kurzen Überblick über die aktuellen Sichten von eignungstheoretischem und situativem Ansatz.
2. Führerzentrierte Sichten
Eignungstheoretische Sicht
Die führerzentrierten Ansätze ergeben sich im Wesentlichen aus eigenschafts- und verhaltenstheoretischen Annahmen. Während eine Gruppe von Wissenschaftlern auf die persönlichen, charaktergegebenen Voraussetzungen für Führungserfolg abstützen, stellen andere vor allem auf Führungsverhalten als entscheidende Dimension ab.
Immer mehr werden allerdings auch in den führerzentrierten Sichten die situativen Bedingungen einbezogen. Neben den persönlichen Bestimmungsgrössen des individuellen Könnens und des persönlichen Wollens werden auch die Situationsgrössen der situativen Ermöglichung und des sozialen Dürfens einbezogen (zit. in Gebert & von Rosenstiel, 1992, S. 115; siehe auch S. 152f). Neben den traditionellen Blickwinkel der Persönlichkeitseigenschaften treten
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