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Leitfaden China

Leitfaden China

Titel: Leitfaden China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Roth
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Umgebung andere Sachverhalte.
    Die Blutbande bleiben deshalb auch in der modernen chinesischen Gesellschaft sehr wichtig, nichts geht über die Familienbande. Die Familie bildet eine Schicksalsgemeinschaft, aus welcher die Person nicht entweichen kann, sie kann sich ihr nur fügen. Indem sie dies tut, findet sie ihre eigene Position und ihre Identität, mittels der sie ihre Ziele zu verwirklichen vermag. Für die neue Generation ist es auch heute noch schwierig, sich selbst zu verwirklichen. Im westlichen Sinn ist dies schier unmöglich. Der Zugang zur Familie ist deshalb auch heute noch eng und bleibt auf die Familienmitglieder und die besten Freunde beschränkt. Hier liegt der Grund für die Klanstruktur der chinesischen Gesellschaft.
    In dieser Klangesellschaft zählen denn auch nicht unbedingt die Regeln der Gesamtgesellschaft, entscheidend bleiben in erster Linie die Normen der eigenen Gruppe. Die Worte des Vaters und der Vorväter bleiben zentral, hier ist die Loyalität festgelegt. Wenn in der Umfrage immer wieder zum Ausdruck kommt, wie pragmatisch eine chinesische Führungsperson mit der Rechtslage umgeht, liegt einer der Gründe in diesem anderen Verständnis der Priorität von Recht der Gesellschaft einerseits und Normen der Eigengruppe andererseits. Hierin basiert der Unterschied zwischen Scham- und Schuldgesellschaft, wie er im ersten Kapitel dargelegt worden ist. Ein modernes, abstraktes Rechtssystem ist deshalb für eine chinesische Person wesentlich uneinsichtiger als für einen an ein staatliches Rechtssystem gewohnten westlichen Menschen. Wie gesagt dürfte dieser kulturelle Unterschied auch mit der chinesischen Wirtschaftsenwicklung und der Mitgliedschaft Chinas in der WTO kaum völlig wegfallen.
    Für die chinesischen Führungskräfte ist es klar, dass diese hintergründige Sozialstruktur auch die Führung eines Unternehmens beeinflusst. Was der Vater in der Familie, der Bürgermeister der Stadt, der Gouverneur für die Provinz und der Kaiser für das Land war, ist auch der General Manager im Unternehmen. Der Einfluss dieser Führungsperson ist aus kulturhistorischen Gründen beträchtlich grösser als in einer westlichen Firma. Dies gilt aber auch für die Erwartungshaltung der Untergebenen gegenüber der Führungsperson. Sie ist wesentlich höher als im Westen.
    Ein Unternehmen muss aus der Erwartung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Familie geführt werden. Nur so kann die Führungskraft letztlich die Loyalität erreichen, welche in dieser von situativer Ethik geleiteten Gesellschaft unumgänglich ist und die Grundlage von sicheren Geschäftspraktiken darstellt.
    Harmonie und Konsensbemühen
    Das starke Streben nach Konsens in der chinesischen Gesellschaft, das einem logischen Denken und Suchen nach rationalen Lösungen oft entgegensteht, fällt westlichen Personen ebenfalls auf. Die Auseinandersetzung mit Problemen zu Gunsten von Lösungen, welche niemanden das Gesicht verlieren lassen, schaffen beträchtliche Unterschiede im täglichen Handeln. Interessanterweise unterstreichen gerade jüngere, berufstätige Chinesinnen heute manchmal, der rationalere, problembezogene westliche Lösungsansatz sei dem gesellschaftsorientierten, konsenssuchenden chinesischen Ansatz vorzuziehen. Eine Änderung des Stils scheint sich bei jüngeren Frauen anzubahnen, welche nicht mehr bereit sind, im Berufsleben traditionelle Rollenerwartungen zu erfüllen.
    Der Bezug zum starken Wettbewerb wird von entsandten Personen im allgemeinen nicht gemacht. Die Unterscheidung zwischen dem Harmonieverhalten in der Gruppe und dem ethisch nicht mehr geregelten Verhalten ausserhalb derselben wird nicht gesehen. Dieses gegensätzliche Verhalten als ein einheitliches Phänomen zu verstehen, scheint nicht einfach auf der Hand zu liegen. Dazu fehlen offenbar die hintergründigen Erklärungsmuster. Dieses fehlende, klärende Verständnis birgt die Gefahr in sich, dass von westlicher Seite auf Harmonie hin gearbeitet wird, während die östliche Seite keinen Grund hat, dies ebenfalls zu tun. Die westliche Seite wird zumindest anfänglich nicht als Bezugsgruppe verstanden. Das Harmoniebemühen der westlichen Seite mündet in diesen Fällen nicht etwa in eine Kompromissformel, sondern führt vielmehr zu aggressiveren Forderungen der chinesischen Partei. Das Harmoniebestreben wird dann nämlich als Schwächezeichen interpretiert und im Verhandlungsverlauf entsprechend verfolgt, wie wir schon früher gesehen haben.
    Unterschiede

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