Leitfaden Homöopathie (German Edition)
Zittern (aber ohne Schauder), eine Abgeschlagenheit durch alle Glieder; dann Klopfen im Kopfe, Röthe der Wangen, Durst, kurz alle mir sonst beim Wechselfieber gewöhnlichenSymptomen erschienen nach einander, doch ohne eigentlichen Fieberschauder. Mit kurzem: auch die mir bei Wechselfibern gewöhnlichen besonders charakterischen Symptomen, die Stumpfheit der Sinne, die Art von Steifigkeit in allen Gelenken, besonders aber die taube widrige Empfindung, welche in dem Periostium über allen Knochen des ganzen Körpers ihren Sitz zu haben scheint – alle erschienen. Dieser Paroxysm dauerte zwei bis drei Stunden jedesmahl, und erneuerte sich, wenn ich diese Gabe wiederholte, sonst nicht. Ich hörte auf, und ich war gesund. – Anm. d. Üb.“
Mit dieser Fußnote brachte Hahnemann das Prinzip der Homöopathie zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Er hatte nicht einfach das Werk Cullens übersetzt, er hatte unplausibel erscheinende Behauptungen überprüft (aude sapere!), hatte einen Selbstversuch unternommen und Bezüge zu einer möglicherweise selbst durchgemachten Malaria hergestellt. Das Ähnlichkeitsprinzip war als Arzneiwirkprinzip wiedererkannt worden. Somit war auch der Auftrag – den Hahnemann vor allem an sich selbst stellte – klar: Arzneistoffe auf ihre wahren Heilwirkungen prüfen, indem sie Gesunde einnahmen und ihre Symptome protokollierten.
Als eigentliche Geburtsstunde der Homöopathie allerdings gilt die Veröffentlichung eines Artikels in Hufelands Journal der practischen Arzneikunde im Jahr 1796: „Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen.“ Hier heißt es „zur Ausmittelung der Arzneikräfte der Pflanzen“: „Es bleibt uns nichts, als die Erfahrung am menschlichen Körper übrig. Aber welche Erfahrung? die ungefähre, oder die geflissentliche?“ Womit zum einen die zufällige Beobachtung beim zufälligen Gebrauch im Krankheitsfall, zum anderen die systematische Beobachtung in der Arzneiprüfung am Gesunden gemeint ist. „Jedes wirksame Arzneimittel erregt im menschlichen Körper eine Art von eigner Krankheit, eine desto eigenthümlichere, ausgezeichnetere und heftigere Krankheit, je wirksamer die Arznei ist. Man ahme der Natur nach, welche zuweilen eine chronische Krankheit durch eine andre hinzukommende heilt, und wende in der zu heilenden (vorzüglich chronischen) Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere möglichst ähnliche, künstliche Krankheit zu erregen im Stande ist, und jene wird geheilet werden; Similia similibus.“
1.2.3 Torgau und Leipzig
Nach ständig wechselnden Wohnorten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen von 1780 bis 1804 ließ sich Hahnemann mit seiner inzwischen neunköpfigen Familie in Torgau (Sachsen) nieder. Dort entstand die erste Auflage des „Organon“, welche noch das Attribut „[…] der rationellen Heilkunde“ hatte. 1811 zog Hahnemann mit noch zwei Kindern mehr in die Universitätsstadt Leipzig. 1812 habilitierte sich Hahnemann mit einer Arbeit über Helleborus (Dissertatio historico-medica de Helleborismo veterum) und erhielt die Venia legendi. Neun Jahre lang hielt er in Leipzig Vorlesungen, schrieb währenddessen die zweite Auflage des Organon, nun mit dem Zusatz „[…] der Heilkunst“, sowie die sechs Bände seiner „Reinen Arzneimittellehre“ mit Symptomen aus Toxikologie und Prüfungen von 63 Arzneien.
Die Leipziger Zeit war geprägt von großen öffentlichen Erfolgen und viel Streit: um das ärztliche Dispensierrecht, mit dem Apotheker damals wie heute nicht einverstanden waren und sind, und um die richtige Medizin, welche an die Stelle von Aderlass und „Vielgemischen“ treten sollte. Hahnemann war ein Freund der klaren,häufig verletzenden Worte. Diplomatie und Bescheidenheit waren ihm fremd. Schließlich musste er, auf Beschluss des Rates der Stadt Leipzig, die Ausgabe von Arzneien unterlassen, was ihn zum Umzug nach Köthen in Sachsen-Anhalt bewog, wo ihm Herzog Ferdinand alle Freiheiten in der Ausübung seiner ärztlichen Praxis gewährte.
1.2.4 Köthen
In Köthen lebte Hahnemann von 1821 bis 1835, schrieb drei weitere Auflagen des Organon, die zweite Auflage der „Reinen Arzneimittellehre“ und sein drittes Hauptwerk, „Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung“ in zwei Auflagen. Der erste Band dieses Werkes ist ein Lehrbuch zur Behandlung der chronischen Krankheiten, welche
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