Leitfaden Homöopathie (German Edition)
Apoll wird befragt und antwortet: Nur der Speer, der die Wunde geschlagen hat, vermag sie zu heilen. Achill gibt seinen Speer den Ärzten Podalirios und Machaon, die Späne von der Klinge feilen und sie auf die eiternde Wunde streuen. In wenigen Stunden ist sie geheilt.
2.1.3 Das Ähnlichkeitsgesetz in anderen therapeutischen Disziplinen
Die Kneipp’sche Hydrotherapie wird als unspezifische Reiztherapie angesehen. Kaltes Wasser hat allerdings den spezifischen Effekt, eine kurzfristige Verkrampfung der Muskulatur und Kribbelparästhesien hervorzurufen. Gezielt bei Leiden mit einer derartigen Symptomatik eingesetzt, wirkt der Wasserguss homöopathisch.
Ganz ähnlich ist auch das homöopathische Prinzip der Elektrotherapie bei Muskelspasmen und Parästhesien herzuleiten.
Die Chirotherapie oder Manuelle Medizin scheint rein mechanisch zu wirken. Als Wirkprinzip wird die Lösung von Blockaden postuliert. Sie wird bei Beschwerden erfolgreich eingesetzt, die durch physikalische (mechanische oder thermische) Reize verursacht werden, aber auch bei Folgen einseitiger Muskelspannungen, die zu segmentalen Bewegungsstörungen führen. Der scheinbar mechanische Impuls der Chirotherapie kann dem Ähnlichkeitsprinzip zugeordnet werden.
Dass Trösten oder Beruhigen im Sinne einer Abwehr psychischer Symptome von Trauer oder Erregung nicht immer hilfreich sind, ist eine häufige Erfahrung. Schon im alten Griechenland wurde die Tragödie als therapeutisches Prinzip eingesetzt, was heute im Psychodrama seine Fortsetzung findet. Die paradoxe Intervention als Konfrontation mit pathologischen Verhaltens- oder Denkmustern hat ihre Effektivität gerade zur langfristigen Änderung solcher Muster gezeigt.
Das Ähnlichkeitsprinzip ist allerdings auch bei sehr vielen allopathisch angewendeten Substanzklassen zu erkennen. Sie werden zwar gegensinnig eingesetzt, ihr langfristiger Effekt ist aber oft eine Verstärkung der Symptomatik (Rebound-Effekt) oder das Hervorrufen ganz ähnlicher Erscheinungen (paradoxe Wirkung) . Bekannt ist dies von Antiarrhythmika, Betablockern, Nitraten, Barbituraten, Benzodiazepinen, Amphetaminen, MAO-Hemmern, Neuroleptika, Muskelrelaxanzien, Cortison, Heparin, Laxanzien, Antazida und vielen anderen Wirkstoffen (Teixeira 1998).
2.1.4 Das Ähnlichkeitsgesetz als Lebensgesetz
Hahnemann gibt weitere Beispiele aus dem täglichen Leben:
„Wie kann in der Frühdämmerung der hell-leuchtende Jupiter dem Sehnerven des ihn Betrachtenden verschwinden? Durch eine stärkere, sehr ähnlich auf den Sehnerven einwirkende Potenz, die Helle des anbrechenden Tages!
Womit pflegt man in, von übeln Gerüchen angefüllten Oertern, die beleidigten Nasennerven wirksam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, der den Geruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift! Keine Musik, kein Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben, würde diesen Geruchs-Ekel heilen.
Wie schlau wußte der Krieger das Gewinsel des Spießruten-Läufers aus den mitleidigen Ohren der Umstehenden zu verdrängen? Durch die quikende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel gepaart!
Und den in seinem Heere Furcht erregenden, fernen Donner der feindlichen Kanonen? Durch das tief erbebende Brummen der großen Trommel! Für beides würde weder die Austheilung eines glänzenden Montirungsstücks, noch irgend ein dem Regimente ertheilter Verweis geholfen haben.
So wird auch Trauer und Gram durch einen neuen, stärkeren, jemand Anderm begegneten Trauerfall, sei er auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht.“ (Organon § 26/Anm.)
Die Einwirkung von etwas Unähnlichem kann heftig sein, ist aber immer kurz und vorübergehend. Ein dauerhafter Impuls für einen lebenden Organismus, der zu einer wirklichen Änderung führt, sei es Krankheit oder Gesundung, kann nur von etwas Ähnlichem kommen. „Entsteht im Innern des Organismus ein Vorgang, der einem solchen der äußeren Natur ähnlich ist, so tritt Erkrankung ein“ (Hans-Hartmut Vogel). Heilung geschieht umgekehrt durch eine der Krankheit ähnliche Einwirkung.
2.2 Die geistartige Lebenskraft
Was unterscheidet einen Leichnam unmittelbar nach dem Tod vom Lebenden? Wodurch geschieht Wundheilung, wenn die Ränder adaptiert wurden? Welches ist die treibende Kraft der Spontanheilung?
Die Anschauung Descartes‘, der Mensch sei eine Maschine, hatte gerade im 19. Jahrhundert ihren Gegenpol im Vitalismus, der die Idee einer Energie wieder aufgriff, welche Materie belebt. Sie war zu allen Zeiten und in allen
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