Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Gravitation abgeschaltet worden - sie waren jetzt schwerelos in ihrem Pilotschiff. Das wäre gar nicht möglich gewesen, wenn nicht alle lebenserhaltenden Einrichtungen auf solche Situationen abgestimmt gewesen wären. An Bord eines normalen Raumschiffs zum Beispiel hätten sie nicht ein halbes Jahr schwerelos leben können - nur für kurze Fristen hatte man dort Essen in Tuben und Flüssigkeiten in Preßflaschen; von der Entsorgung gar nicht zu reden. Hier aber war die Küche auf solche Fälle eingerichtet, die Automatik packte die bestellten Gerichte entsprechend ab.
    Alle Einsparungen konnten das Energiedefizit nur verringern, nicht beheben. Deshalb wurde zur wichtigsten Arbeit auf der Parkbahn das Ausbringen und der Betrieb eines Sonnenkollektors, der über den Kommutator Aktivkomponente erzeugte, in winzigen Mengen nur, aber doch so viel, daß nach ein paar Tagen das Defizit behoben war und künftig auf Vorrat produziert werden konnte - ganz ohne Reserve durfte man nicht bleiben.
    Der Kollektor war der übliche Parabolspiegel, nicht besonders groß, nur fünf Kilometer im Durchmesser, wenn er ganz entfaltet war. Und da er an der Sonnenseite des Pilotschiffs fest installiert war, hatte er auch keine eigene Justierung, die würde normalerweise die Automatik des Schiffs besorgt haben. Um aber Treibstoff zu sparen, auch hier, wo er produziert wurde, hatte man ausprobiert, daß es genügte, alle acht Stunden die Lage im Raum zu korrigieren - die Automatik hätte da weitaus empfindlicher reagiert und so auch mehr Treibstoff verbraucht.
    Angesichts der Erfolge mit dem Kollektor sprach keiner mehr über eine Landung, aber im stillen beschäftigte sich doch jeder mit diesem Gedanken, wenn auch die Motive sehr verschieden waren. Die beiden Frauen, in ihren Berufen nicht mehr oder kaum noch beschäftigt, befaßten sich mit der Oberfläche des Planeten, mal gemeinsam, mal getrennt, aber nach Verabredung, je nachdem, wie die Schichten lagen; manches wurde festgestellt, manches blieb fraglich, und dieses Fragliche zog ihr Interesse immer stärker auf sich. Sie versuchten, sich daraus zu retten, indem sie Landeplätze projektierten und ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abwogen. Aber sie irrten sich, wenn sie hofften, das würde den »Sog nach unten« beseitigen; denn eben beim Abwägen trat immer deutlicher hervor, was sie nicht wußten.
    Rigel kümmerten diese Fragen nicht, er war ständig damit beschäftigt, Apparate, Maschinen und Geräte auszudenken, mit denen man »unten« Energie einfangen, sie in die elektrische Form und dann, über den Kommutator, in Aktivkomponente verwandeln konnte. Da aber auch bei allem Erfindungsreichtum die erzeugte Menge unten nie mit der vom Sonnenkollektor gewonnenen würde konkurrieren können, nahm er das Ganze halb als Spiel - so wie man etwa das Training auf einen zwar möglichen, aber ziemlich unwahrscheinlichen Fall halb als Spiel auffaßt.
    Toliman freilich hatte einen anderen Grund, sich aus dieser Parkbahn fortzuwünschen. Er sprach darüber mit Rigel oder richtiger, er befragte ihn, mit dem Sorgerecht des Kommandanten sozusagen, in Wirklichkeit aber war es ihm wohl ebenso darum zu tun, sich über sich selbst klarzuwerden.
    »Wie haut es denn sexuell bei euch hin, jetzt in der Schwerelosigkeit?« fragte er, als er Rigel einmal allein erwischte.
    Der Jüngere sah ihn verständnislos an. »Wieso?« fragte er. »Oder besser: wieso nicht?«
    Ein wenig neidisch dachte Toliman: Die beiden kann anscheinend gar nichts erschüttern, bei uns dagegen. Die empfindliche Mira reagierte schon auf jede Stimmung mit unterschiedlicher Aufgeschlossenheit, und nun erst in der Schwerelosigkeit.
    Rigel sah ihn immer noch verständnislos an; er wartete ganz offenbar und zu Recht auf eine Erklärung. Toliman mußte das Gespräch irgendwie weiterführen. Er hätte sich denken können, was Rigel dazu zu sagen hatte, und das Gespräch erst gar nicht anfangen sollen.
    An diesem Punkt merkte Toliman, daß er es eigentlich viel mehr um seiner selbst willen begonnen hatte. Jetzt aber war ihm der Gedanke unbehaglich, über Einzelheiten zu sprechen.
    »Bei mir gibt’ s Schwierigkeiten«, sagte Toliman mit einer gewissen, aber doch ziemlich unkonkreten Offenheit.
    Rigels Verständnislosigkeit wurde davon nicht geringer.
    Toliman wurde klar, daß Rigel dieses Thema ebensowenig Spaß machte wie ihm selbst. »Vergiß es!« sagte er, und richtig, Rigel nickte kurz und schwebte ohne weitere Worte zu seinem Bastelplatz

Weitere Kostenlose Bücher