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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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hinüber.
    »Ich muß dir was sagen«, meinte Mira später, als sie »zu Bett gegangen« waren, »auch auf die Gefahr hin, daß ich dich kränke. Ich habe mich ein bißchen mit Gemma unterhalten, von Frau zu Frau. Ich denke, du solltest mal mit Rigel sprechen.«
    Schöne Blamage! Mira war offenbar das Thema mit weniger Hemmungen angegangen als er. Oder haben Frauen dabei überhaupt voreinander weniger Hemmungen? Wahrscheinlich Unsinn, so zu generalisieren. Aber nun konnte er doch unmöglich Rigel noch einmal.. Verdammt, was die Zivilisation für Hemmungen aufbaut! Warum sprang man nicht einfach darüber hinweg? Aber ganz und gar unsinnig waren sie ja auch nicht, Intimsphäre ohne Abschirmung des Intimen, das war wie.. wie. Ihm fiel kein Vergleich ein.
    »Tut mir leid, wenn ich dir die Stimmung verdorben habe«, hörte er Mira sagen, »aber heute gar nicht ist besser als noch ein vergeblicher Versuch.«
    Dann kam ihre Hand herüber und strich mit harten, schmalen Fingern sanft über sein Gesicht. Und merkwürdig - jetzt, allen Verneinungen zum Trotz, jetzt, als er die Hand festhielt und küßte, sprang der Funke zu ihm über.
    Diese Nacht oder, richtiger gesagt, Schlafzeit ging für Mira und Toliman nicht ungestört zu Ende. Nach sechs Stunden wurde erst Toliman, dann Mira geweckt - nach Gemmas und Rigels Befürchtung stand ein Strahlungsausbruch der Sonne bevor, wie Mira ihn vorhergesagt hatte.
    Das Unheimliche an solchen Ausbrüchen ist, daß man sie nur auf den Meßgeräten sieht. Kein Blitzen und Donnern, kein Rütteln und Schütteln, aber ohne geeigneten Schutz wäre alles biologische Material aufs äußerste gefährdet, angefangen von den Nahrungsmittelreserven über die Algenkolonien bis zum Menschen selbst. Das weiß selbstverständlich jeder, aber gerade der Widerspruch zwischen diesem Wissen und der wahrnehmbaren Ruhe hält die Nerven in Spannung.
    Miras Spannung dagegen war produktiver Art - endlich hatte sie einmal wieder in ihrem Beruf zu arbeiten. Dieser Ausbruch, der wirklich bevorstand, davon war sie auch überzeugt - dieser Ausbruch würde ihr vieles mitteilen über diese Sonne, und wenn sie Glück hatte, auch etwas über ihre Hypothese. Sie schaltete alle verfügbaren Sensoren auf die Sonne und rief dann auf ihr Terminal eine offenbar lange vorbereitete Kurve.
    »Wir sind jetzt ungefähr hier«, sagte sie zu Toliman, der ihr zusah und auf ihre Beurteilung der Lage wartete. »Bisher stimmen alle Werte signifikant mit meinem Ansatz überein, hier und hier und hier.« Sie tippte auf mehrere Stellen der Kurve. »Wenn alles nach meinen Erwartungen verläuft, dann brauchen wir für die ersten Komponenten, die elektromagnetischen Wellen, keine besonderen Schutzmaßnahmen. Die schnellen Teilchenströme, für die wir den stärksten Schutz brauchen, kommen erst sechs, sieben Stunden später, aber wenn die kommen, brauchen wir wirklich das Schirmfeld in voller Stärke, ungefähr, warte mal, ja, etwa drei, vier Stunden lang, dann können wir langsam nachlassen. Aber es kann freilich auch ganz anders kommen.«
    Toliman hatte sich an seinen Arbeitsplatz gesetzt und rechnete. »Kannst du mir sagen, wie lang die Periode zwischen den Ausbrüchen ist - es ist doch eine Periode nach deiner Hypothese?«
    »Vierzehn Tage ungefähr, plus minus zwei Tage. Immer vorausgesetzt, meine Vermutungen hauen hin.«
    Toliman rechnete wieder. »Kommt mal alle her«, sagte er. »Etwas zum Überlegen. Wenn der Ausbruch nach Miras Vorstellungen verläuft, dann brauchen wir für das Schirmfeld so viel Energie, wie uns der Kollektor in vierzehn Tagen bringt. Wir würden heute etwas unter den Strich kommen, der anzeigt, wieviel wir für den Leitstrahl brauchen, würden das in den nächsten vierzehn Tagen wieder aufholen und dann über dem Strich sein - bis der nächste Ausbruch kommt und alles von vorn losgeht. Nun laßt noch irgend etwas anderes dazwischen kommen, Ausweichen vor Meteoriten oder was weiß ich. Dann kommen wir nie wieder über den Strich.«
    Er schwieg einen Augenblick, die andern sagten nichts, weil sie schon heraushörten, daß er eine bessere Möglichkeit sah.
    »Wenn wir dagegen kurz vor dem nächsten Ausbruch in die Atmosphäre eintauchen und landen, tun wir das mit einem beträchtlichen Überschuß an Energie, der auch durch die Landung nicht aufgebraucht wird. Rigel, würdest du bitte die Gegenargumente sammeln?«
    »Warum gerade ich?« protestierte Rigel mit einer fast kindischen Bockigkeit in der Stimme. »Ich bin
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