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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Trennwand in die halbe Höhe, daß sie sich nicht sehen konnten, wohl aber hören, jetzt schnell ausziehen - und da huschte schon Mira in ihre Hälfte.
    In diesem Moment überfielen ihn die Sorgen wie feige Hunde, die auf einen unbewachten Augenblick gewartet hatten: der Energiemangel, die Unsicherheit der Bahn, die beiden Sterne, die Botschaft an das Mutterschiff - konnte er das denn nicht jetzt beiseite schieben, er durfte doch nicht mit diesen Problemen im Kopf. Jede Frau würde so etwas merken und zu Recht beleidigt sein, na und erst Mira, die Empfindsame. Verdammt, ließen sich denn diese Gedanken nicht unterdrücken.
    Da sah er Miras Hand auf der Trennwand liegen wie ein selbständiges Wesen, das mit gespielter Absichtslosigkeit auf sich aufmerksam machte. Der Zeigefinger zog sich zusammen, streckte sich wieder. Toliman legte seine Hand davor, es der anderen überlassend, ob sie die seine ergreifen wollte oder sich ihr nur sanft nähern. Aber sie tat keins von beiden, sie flüchtete nicht zu schnell freilich, damit das Einholen nicht zu schwierig würde. Endlich drückten sie beide die Trennwand herunter.
    Da lag sie, nackt. Zog ihre Hand weg. Drehte ihm den Rücken zu - Fortsetzung der provozierenden Flucht. Seine Fingerspitzen verfolgten sie und näherten sich ihrem Nacken; einige Millimeter davor verhielten sie - ob sie sie wohl spürte? Mira schnurrte leise. Er berührte ihren Nacken, strich mit den Nägeln leicht den Rücken herunter. Ihr ganzer Körper schauerte zusammen, sie warf sich herum, ihre Augen leuchteten.

 
2
     
    Gemma war keineswegs fröhlich zumute. Sie war überhaupt gar nicht immer so fröhlich, wie sie den Gefährten erschien, aber das hatte noch nie jemand bemerkt, denn die anderen standen ihr nicht nahe genug, und ihr Rigel merkte ja nur dann etwas, wenn man ihn mit der Nase drauf stieß und es ihm dann noch umständlich mit Worten erklärte.
    So sah man ihr auch jetzt nicht an, daß sie erschüttert war. Sie war eben auf die Enzephalogramme des Kapitäns gestoßen, und wenn sie auch nur nebenbei Medizinerin war, so viel Grundkenntnisse hatte jeder Sternfahrer, daß er ein EEG lesen konnte und wußte, was Thetawellen bedeuteten. Und da diese Wellen sehr stark waren und sehr lange regelmäßig wiederkehrten, und da Gemma außerdem Nachrichtentechnikerin war, lag es für sie nahe, an Resonanzen zu denken, daran, daß die Thetawellen im Gehirn von irgendwelchen anderen Schwingungen angeregt waren.
    Sie vermaß die Periode genau und stellte sie bereit. »Ri«, sagte sie leise, »nimm doch mal hier diese Periode ab und sieh, ob sie in deinem Problem irgendeine Rolle spielt.«
    Rigel brauchte nicht lange, um das herauszufinden.
    »Ich werd verrückt«, sagte er, »dahinter steckt die Eigenfrequenz der Aktivkomponente. Deshalb die Außentanks. Wo hast du das her?«
    »Gehirnwellen des Kapitäns«, sagte Gemma knapper als sonst.
    »Toll!« sagte Rigel. »Was kann das sein, was so schwingt? Kommt ins Gehirn, kommt in die Tanks. Beide sind gesichert, jedes auf andere Weise.« Und mit jener naiven Logik, die manchmal den größten Unsinn produziert, aber manchmal eben auch Entdeckungen, schlußfolgerte er: »Na klar, der Raum selbst muß schwingen. Einzig mögliche Erklärung. Schließlich reden wir ja dauernd von einer Anomalie, warum soll der verdammte Raum da bloß krumm und schief, aber ansonsten unbeweglich sein! Hilf mir mal, woran könnte man das überprüfen?«
    »Eine Idee hätte ich«, sagte Gemma. »Die Thetawellen waren nicht die ganze Zeit gleich stark, sie wurden mal stärker und mal schwächer, und zwar, warte mal. Ja, stärker in Stillstandsperioden und schwächer während der Beschleunigung. Wenn das wirklich der Raum selbst war, der die Wellen erzeugt, dann müßte doch - nee, war wohl Unsinn.«
    »Was müßte?« beharrte Rigel.
    »Ich versteh ja von dem ganzen Kram nicht viel«, sagte Gemma fast schüchtern, und das war nicht geheuchelt, obwohl sie gleich darauf bewies, daß sie mindestens ebensoviel wie Rigel davon verstand, wenn nicht weit mehr. Diese Schüchternheit, dieses Zurücktreten dem anderen gegenüber gehörte zu ihrer Sonnenschein-Rolle, gegen die sie noch nie aufbegehrt hatte, warum auch, sie fühlte sich ja wohl darin. »Aber ich stell mir vor«, fuhr sie fort, »wenn also der Raum so ‘ne Art Schichtstruktur hat, eine Scheibe, keine Scheibe, eine Scheibe, keine Scheibe, immer abwechselnd, und das Schiff saust da durch, treten Resonanzschwingungen auf. Wenn nun
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