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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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der Strom an der Nordseite glitzerte, dahinter dehnte sich bis an den Horizont die Grassteppe, im Süden, ebenfalls bis zum Horizont reichend, der Wald. Merkwürdig, was waren das für Streifen, die da vom Gebirge ausgingen? Waren das Schneisen? Egal jetzt, sie näherten sich von Westen her dem Großen Berg, dahinter wurde schon der östliche Sumpf sichtbar, in den der Fluß mündete. Gleich mußte auch ihr Landeplatz einzusehen sein.
    »Turbulenz voraus!« sagte Mira leise.
    Toliman sah es, speziell eingefärbt auf dem Bildschirm: Eine Windhose entstand unmittelbar über dem Großen Berg und wuchs schnell an. Sie bewegte sich nach links und dann vielleicht um den Berg herum, und wenn sie Glück hatten, lief sie vor ihnen weg und zog sie nur sanft hinter sich her. Aber das wäre wohl zuviel verlangt vom Glück. Wenn sie schon der Anomalie entkommen waren, dann durften sie nun nicht noch verlangen, daß sie auch der Windhose entkämen.
    Toliman konnte sich solche Spekulationen leisten, alle Varianten dessen, was in den nächsten Minuten geschehen konnte, waren ihm durchaus klar, selbst die unangenehmsten. Er lächelte und sah zu Mira hinüber. Ihre Augen blickten ihn an, sie waren ganz grün, es sah aus, als seien die braunen Stäbchen, die die Pupille umgaben, verschwunden, als sei »der Bernstein im Meer versunken«, wie Toliman manchmal sagte, wenn sie allein waren - in der Regel war das ein Zeichen von Passivität bei ihr, und Passivität, das hieß jetzt, in dieser Situation, daß sie ihm völlig vertraute. Und das wiederum gab ihm selbst Sicherheit. Er nickte ihr fröhlich zu.
    Dann ging alles sehr schnell: Die Windhose machte in ihrer Bahn einen Knick und kam plötzlich direkt auf das Schiff zugerast. Noch ehe sich das erste Rütteln dem Schiff mitteilte, standen die Fallschirmkaskaden, die es trugen, seitlich neben ihnen - die Hose wickelte sie sozusagen ein, Toliman trennte die Schirme vom Schiff, schaltete die Antriebe ein, schweren Herzens, nichts anderes blieb mehr übrig, es schüttelte noch ein bißchen, dann führte die Automatik das Schiff ohne jede Schwierigkeiten zum vorbezeichneten Ziel.
    Toliman schlug nicht die Hände vors Gesicht, obwohl ihm so zumute war. In diesem Augenblick wurde ihm klar, was nicht mehr zur Landung gehörte, sondern zu ihren Folgen: Hätte er einen Umlauf weniger gemacht, wäre er wie geplant beim vorigen Umlauf gelandet, dann würden sie jetzt nicht Treibstoff verbrauchen. Er hatte noch ein bißchen Treibstoff gewinnen wollen, statt dessen verlor er nun weit mehr, als er in dem einen Umlauf erzeugt hatte.
    Als das Schiff im Tal stand, war die Treibstoffmarkierung unter den roten Strich gesunken.
    Die ersten Stunden nach der Landung vergingen im oft geübten, vorgeschriebenen Rhythmus. Alle hatten zu tun, keiner stellte Fragen.
    Toliman trieb den Ankerbohrer ins Gestein unter dem Schiff, danach nahm er aus einigen unteren Bauelementen des Schiffs vorsichtig die Starre, so daß es sich senkte und nach einiger Zeit eine kreisrunde, ebene Fläche unter ihren Füßen entstand - von außen mußte das Schiff jetzt wie eine Kugel aussehen, von der ein ziemlich großes Segment abgeschnitten war und die nun auf der Schnittfläche ruhte. Die Schleusen lagen jetzt zehn bis fünfzehn Zentimeter über dem Boden.
    Rigel hatte alle Hände voll zu tun, um die Sonnenkollektoren auszufahren und ihre Folgeregler zu justieren - genaugenommen sogar alle Hände und Füße; denn da die Kollektorflächen dort ausgefahren wurden, wo jetzt oben war, befanden sich auch die entsprechenden Steuereinheiten oben; Rigel mußte eine Strickleiter hinaufklettern, die er vorsorglich noch in der Parkbahn angebracht hatte, sich dann weiterhangeln und schließlich, waagerecht schwebend, über den Kopf arbeiten, sich mit den Füßen abstützend, von Sicherungsgurten gehalten, die er irgendwo eingehakt hatte.
    Gemma unternahm die ersten, unerläßlichen Routinearbeiten für die Erforschung der biologischen Umweltbedingungen. Mit Manipulatoren holte sie Proben der Luft und des Bodens herein, die selbstverständlich streng isoliert gehalten wurden. Automatische Analysatorreihen nahmen die Proben auf, dann konnte der zeitliche Ablauf nicht mehr beeinflußt werden: Erste Auskünfte würde es in ein paar Stunden geben, endgültige Ergebnisse in etwa zwei Tagen. Ihre größte Überraschung war, daß sich in der Bodenprobe so etwas wie ein Grashalm befand. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihr, den Halm von der

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