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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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erwartet; Bedenken vielleicht, aber nicht dies.
    »So ein Unsinn«, sagte Toliman. Es klang müde und fassungslos. »So ein fürchterlicher Unsinn!« wiederholte er, und diesmal klang es fast erbittert.
    »Ich wollte dir doch bloß helfen!« sagte Mira - und biß sich auf die Lippen. Daß er das nicht gemerkt hatte, war schon eine Demütigung, aber eine verzeihliche, er war müde und abgespannt. Aber mußte sie sich dann noch einmal selbst demütigen, indem sie ihm das sagte?
    Als Toliman mit der Hand über die Kante der Trennwand strich, fand er sie leer.
    »Da haben wir’s!« sagte Rigel in einem Ton, als müsse er die Handlungsweise eines anderen aufs höchste mißbilligen. Er zeigte dabei auf die Energiebilanz. Tag und Nacht zusammengenommen, hatten sie mehr verbraucht als gewonnen.
    Aber gerade jetzt leuchtete die Morgensonne direkt ins Raumschiff, bisher hatte nur die westliche Felswand ihr Licht reflektiert. Auf einmal sah alles ganz anders aus als vorher, auch als gestern nachmittag, denn noch war ja die große, rote Sonne nicht aufgegangen. Es schien, als ob alles Hellfarbige anfange zu leuchten. Gemmas Haare sahen jetzt nicht aus wie Weizen, sondern wie poliertes Messing, und selbst Miras schwarzer Schopf trug einen blauen Schimmer. Alle Farben benahmen sich, als ob sie Spaß daran hätten, sich selbst und ihre Bedeutung hervorzuheben. Die beiden Frauen sahen sich bewundernd um, und selbst Toliman konnte sich dem Zauber nicht entziehen. Nur der dickfellige Rigel sagte, er werde mal der Wand einen Abblendeffekt verleihen, genau an der Stelle, wo dieser scheußliche Scheinwerfer einstrahle.
    Niemand widersprach, denn das Licht war ja tatsächlich zu hell, aber die Stimmung, die für einen Augenblick wenigstens die andern drei vereint hatte, war dahin. Trotzdem war eine ruhige, bereitwillige Sachlichkeit zu spüren, als sie sich zur Lagebesprechung zusammensetzten.
    Gemma trug als erste vor - an ihren Ergebnissen waren augenblicklich alle am meisten interessiert. Es kam ihrem Vortrag zustatten, daß sie sich nicht auf ihrem ureigensten Gebiet bewegte; so setzte sie unwillkürlich auch bei den Zuhörern weniger Kenntnisse voraus und drückte sich verständlicher aus, als das sonst vermutlich der Fall gewesen wäre.
    »Es sieht ganz gut aus, bisher«, begann sie. »Die Luft ist atembar, ohne schädliche Bestandteile. Die Zahl der Mikroorganismen in Luft und Boden ist etwa gleich wie in entsprechenden Breiten und Biotopen der Erde. Es gibt in den Organismen Nukleinsäuren und Polypeptide, man kann also annehmen, daß das Leben auf dem gleichen Grundwiderspruch beruht wie bei uns zu Hause. Aber das ist erst eine Annahme, wenn die anderen Ergebnisse sie auch wahrscheinlich machen.
    Diese anderen Ergebnisse stellen einzelne, voneinander unabhängige Sachverhalte dar. Da sie jedoch alle den entsprechenden irdischen Sachverhalten gleich oder analog sind, läßt sich dahinter das Bild einer parallelen Entwicklung des Lebens vermuten, die bis zur Aufspaltung in Tier- und Pflanzenreich geht, wahrscheinlich aber noch viel weiter.
    Ich nenne jetzt einfach diese Sachverhalte. Erstens: Die DNS ist linksdrehend gewunden. Zweitens: Das Mesonogramm des grünen Pflanzenfarbstoffs gleicht dem des irdischen Chlorophylls, die beiden Stoffe sind also bis auf mögliche unwesentliche Einzelheiten gleich. Drittens: Die meisten hiesigen Mikroorganismen wachsen auf irdischen Nährböden. Viertens: Manche hiesigen Stämme verdrängen die irdischen, manchmal ist es umgekehrt, manchmal wachsen sie gleich. Im Durchschnitt verhalten sie sich neutral gegeneinander.
    Wir werden freilich auch in einem halben Jahr noch keine vollständigen Kenntnisse auf diesem Gebiet haben, schon deshalb nicht, weil dazu Fachleute erforderlich wären und natürlich mehr Ausrüstung, mehr Zeit und so weiter. Aber ich denke, wenn alle folgenden Feststellungen, die wir noch machen werden, dieses Bild vom hiesigen Leben bestätigen und keine widersprechende Reaktion beobachtet wird, dann können wir es in einiger Zeit riskieren, uns frei in der Umgebung des Schiffs zu bewegen.«
    Gemma schwieg einen Augenblick, als prüfe sie noch einmal die gewichtige Feststellung, die sie da getroffen hatte, und setzte dann hinzu: »In einer artenreicheren Biozönose, etwa in tropischem Klima, würde ich trotzdem abraten, aber hier, bei einer relativen Armut an Arten, müßte unser Immunsystem mit allen Infektionen fertig werden. Wie gesagt, wenn auch künftig nichts diesem Bild,

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