Lektionen (German Edition)
brauchen. Geht auf mich.»
«Einen Trara-Mantel?»
«Der Winter ist da, und du kannst natürlich nicht in der Öffentlichkeit im Schulmädchenkostüm rumlaufen. Du musst was Warmes und Auffälliges drüberziehen, dann kannst du beim Treffen mit deinem Kunden …» Veronica tat so, als würde sie mit schwungvoller Geste einen Mantel aufschlagen. «Trara!»
Nachdem sie Sarah durch ein gutes Dutzend Boutiquen geschleift hatte, entschied sich Veronica für einen wadenlangen, mit scharlachroter Seide gefütterten Mantel aus schwarzem Leder für knapp über achtzehnhundert Dollar. Sarah führte ihn vor, schlug ihn mit lautem «Trara!» weit auf. Beide krümmten sich vor Lachen. Falls ihr Benehmen die Verkäuferin verwirrte, ließ die sich nichts anmerken. Für sie war es lohnender Umsatz, an dem sie wahrscheinlich beteiligt wurde.
Als der bewusste Tag kam, zog sich Sarah das Schulmädchenkostüm an, das Veronica für sie ausgewählt hatte: einen Schlips mit blauen und goldfarbenen Streifen, locker umgebunden, eine gazeartige weiße Hemdbluse, deren Schöße unter ihren Brüsten verknotet wurden, einen Witz von Schottenrock, der zehn Zentimeter unter ihrem Bauchnabel ansetzte und am oberen Schenkelansatz aufhörte, dünne weiße Socken bis über die Knie und flache Halbschuhe. Darunter trug Sarah einen weißen Netztanga, denn für Männer ist ein Tanga an einer Frau wie schwarz – passt zu allem. Und sie hatte eine kastenförmige pinkfarbene Handtasche dabei.
Das Haar hatte sie mit Bändern zu Büscheln hochgebunden wie ein Tokioter Harajuku-Girl. Sarahs einziges Parfüm war der Kaugummiduft ihres rosafarbenen Lippenstifts.
Sie fuhr wieder hinauf zum Obergeschoss des Royal, aber es war die andere Suite, nicht die von Jacks Party, Gott sei Dank. Sex mit einem anderen Mann im selben Zimmer und Bett zu haben, das sie mit Jack geteilt hatte, hätte sich gar zu sonderbar angefühlt.
Bevor sie anklopfte, knöpfte sie ihren Mantel vollständig auf. Ein großgewachsener Mann öffnete die Tür. Er hatte silbrige Strähnen im schwarzen Haar und ein Gesicht, das auf anziehende Art leicht zerknittert und gelehrt wirkte. Seine Iris waren so dunkel wie seine Pupillen. Augen wie diese hatte Sarah noch nie gesehen. Sie fand seinen unverwandten Blick angenehm einschüchternd. Ihr Kunde trug eine graue Wollkrawatte und ein graukariertes Hemd unter einer Tweedjacke mit ledernen Ellbogenflicken. Seine Hose war aus grauem Flanell. Seine Füße steckten in glänzend schwarzen Florsheim-Schuhen mit Quasten.
Sarah trat ein. «Trara!»
Er lachte.
«Tut mir leid …»
«Nein, eher sollte ich mich entschuldigen. Sie sehen einfach toll aus, entzückend, unwiderstehlich und so weiter. Ich habe gelacht, weil, wer immer Sie dieses niedliche Kostüm hat anziehen lassen – ach, das ist ein privater Scherz, den ich nicht erklären will.» Seine Augen wurden schmal. «Derselbe Jemand geht auch ziemlich gerissen vor.»
«Gerissen?», fragte Sarah.
«Ich muss jetzt erst mal fort zu einer Besprechung mit Leuten, die mich zu einer Zustimmung bewegen wollen. Die denken sich, wenn ich Sie hier weiß, würde ich schnell mit allem einverstanden sein, um zurückeilen zu können.»
Sarah lächelte. «Und werden Sie – zurückeilen?»
«Die wissen bloß nicht, dass ich bereits beschlossen habe, ihren Wünschen zu entsprechen. Für mich wird es bei dem Treffen nur um Zugeständnisse gehen, die ich denen darüber hinaus abpressen kann. Ich bin froh, dass sie mich zu Eile verleiten wollen. So muss ich keine Zeit damit vergeuden, Zaudern vorzutäuschen, doch die werden glauben, sie hätten Ihretwegen ihren Willen bekommen.»
«Klingt vertrackt.»
«Geschäftspolitik, meine Liebe. Angriffsplan und Abwehrplan. Eigentlich ist das alles sehr ermüdend, bis auf den Umstand, dass Sie als Köder benutzt werden, um einen Mann zu fangen, der sich fangen lassen will. Ich bedaure wirklich sehr, Sie eine Weile ganz allein lassen zu müssen, verspreche aber, sehr aufmerksam zu sein, wenn ich zurück bin.» Er nahm ihren Mantel und hängte ihn in den Schrank. «Bedienen Sie sich nach Belieben an der Minibar. Da steht ein Fernseher mit zweihundert Kanälen und dazu Bezahlprogrammen. Keine Sorge wegen der Rechnung. Geht alles auf ‹sie›, Sie eingeschlossen.»
Er ging. Er hatte sie noch nicht mal berührt. Nicht einmal einen Namen hatte sie, um ihn damit anzusprechen.
Die Zimmerflucht ähnelte der, in der sie mit Jack zusammen gewesen war, nur hatte der Schrank
Weitere Kostenlose Bücher