Lelord, Francois
konnte.
»Und wann
könntest du abreisen?«, fragte sie.
Und wieder
einmal sagte sich Hector, dass er großes Glück hatte.
Hector sieht einen Freund wieder
»Nein,
Doktor nicht da, er weggegangen.«
»Aber er
hatte mir gesagt, dass er hier sein würde ...«
»Er in
Krankenhaus gegangen.«
Der junge
Mann war sehr schön mit seinen Mandelaugen und seinen hohen Wangenknochen - wie
ein kleiner Bruder von Leutnant Ardanarinja, dachte Hector. Er versuchte seinen
alten Freund Jean-Michel anzurufen, aber es funktionierte nicht, was allerdings
in einem Land, wo die meisten Menschen kein anderes fließendes Wasser haben
als das vom nächstgelegenen Fluss, nichts heißen musste.
Er stieg
die Treppe über mehrere fehlende Stufen hinweg hinunter und stand dann auf der
Straße, am Fuße des vom Zahn der Zeit schon sehr angenagten Bauwerks aus der Kolonialzeit,
in dem Jean-Michel sein Büro hatte. Von hier aus leitete er die Arbeit mehrerer
kleiner über die Gebirgsregion verstreuter Ambulanzen, die die einheimischen
Völksstämme betreuten - Menschen, um die sich die hiesige Regierung noch
weniger kümmerte als um die übrige Bevölkerung. Obwohl Hector im Schatten eines
Baumes stand - es war eine Banyan-Feige, der gleiche Baum, unter dem Buddha
gepredigt hatte! -, plagte ihn die drückende Hitze.
Hector beschloss,
in sein Hotel zurückzukehren, ein altes Gebäude, das die Franzosen zu der Zeit
errichtet hatten, als sie dieses Land besetzt hielten. Umgebaut und möbliert
hatten es dann die Sowjets, damals der sozialistische Große Bruder dieses
Landes, und schließlich hatte man es noch durch ein paar lokaltypische
Farbtupfer verschönert. Er sagte sich, dass er unbedingt Fotos von seinem
Zimmer machen musste - von dem khakifarbenen Kühlschrank, dem Vitrinenschrank,
dessen Ecken mit Drachen geschmückt waren, dem Bakelit telefon,
den Spitzendeckchen auf dem runden Tisch und dem Fernseher aus chinesischer
Produktion mit seinem stark gewölbten Bildschirm. Hinterher würde er sie Clara
zeigen, damit sie sah, dass er nicht zum Vergnügen hier war.
Aber
eigentlich mochte Hector das Hotel, denn die Zimmer waren geräumig, und der
Charme verflossener Zeiten lebte noch in dem Licht, das durch die großen
Fenster auf das knarrende Parkett fiel, und in der Aussicht auf die bewaldeten
Ufer des Mekong, der so breit und still dalag wie ein See. Man musste die
Gelegenheit nutzen, denn bald sollte das Hotel abgerissen und durch eine große
Einkaufspassage aus Rauchglas ersetzt werden - und am Flussufer sollte sich
eine Autobahn entlangziehen.
Je mehr er
von der Welt gesehen hatte, desto häufiger dachte Hector, dass die Geldgier,
die Geschäftsleute und Politiker »wirtschaftliche Entwicklung« nannten, die
Schönheit der Welt zerstörte, ohne die Menschen dabei glücklicher zu machen.
Ein Segen, dass wenigstens immer mehr Leute so dachten wie er. Man hätte das
Glück der Menschen vermehren können, indem man das Gesundheitswesen
verbesserte, aber viele Firmen hatten sich in diesen Ländern vor allem niedergelassen,
um keine Steuern mehr berappen zu müssen - es reichte, wenn man den
Lokalpolitikern genug zusteckte.
Hector war
zu Jean-Michel gefahren, um herauszufinden, ob er Nachrichten von Edouard
hatte. Da er wusste, welche Überwachungsmöglichkeiten Leutnant Ardanarinja und
ihre Kollegen von Interpol hatten, wollte er lieber nicht per Internet oder
Telefon nachfragen, und so hatte er Jean-Michel lediglich gesagt, dass er eine
kleine Luftveränderung brauche und ihn einfach mal besuchen wolle.
Hector stellte
sein Notebook auf das Spitzendeckchen (denn auch der Schreibtisch war mit einem
solchen geschmückt) und ging ins Internet. Er hatte beschlossen, auf diesem
Wege mit einigen Patienten zu kommunizieren, damit er nicht völlig
unerreichbar für sie war.
Was er
fand, war eine Mail von Clara:
Mein Liebster,
wie geht es Dir? Auch wenn ich
weiß, wie gerne Du in die Tropen reist, mache ich mir diesmal irgendwie doch
Sorgen. Hast Du Jean-Michel schon gesehen?
Du hast mich damit angesteckt, ich
habe angefangen, auch über die Freundschaft nachzudenken.
Oft sagen die Leute, auf einen
wahren Freund könne man sich in jeder Lebenslage verlassen. Doch kenne ich auch
andere Menschen (und Dir geht es sicher genauso), von denen ich ebenfalls
glaube, dass sie mir bei Schwierigkeiten beistehen würden. Eine Klassenkameradin,
ein Arbeitskollege - sie betrachten sich als meine Freunde, aber im Grunde
langweilen sie mich
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