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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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Worten zu ihr. Hector spürte,
dass diese Frau für die junge Kranke wie eine Mutter war.
    »Wir
lassen euch jetzt mal allein«, sagte Jean-Michel.
    »Ich komme
gleich zu dir ins Büro«, sagte die Frau.
    Im Flur
erklärte Jean-Michel seinem Freund, dass diese Frau an der Spitze einer
Organisation stand, die sie selbst gegründet hatte; sie widmete ihr Leben der
Hilfe für junge Frauen, die in die Fänge von Menschenhändlern geraten waren -
entriss sie den Bordellen, ließ sie ärztlich behandeln und ermöglichte ihnen
eine Ausbildung. Sie reiste zwar durch die ganze Welt, um mit ihrem
Filmstarlächeln Spenden zu sammeln, doch die meiste Zeit verbrachte sie hier
und kümmerte sich um die Heime, in denen ihre Schutzbefohlenen lebten. Einst
war sie selbst eine jener ganz jungen Frauen gewesen, die man in Bordellen
gefangen hält.
    »Sie
kämpft auch gegen die Macht der Menschenhändler«, sagte Jean-Michel. »Mit dem
Ergebnis, dass man letzten Monat auf ihren Wagen geschossen hat. Eine Warnung.
Vor zwei Jahren hat man ihre Tochter entführt.«
    »Und was
tut die Polizei dagegen? Und die Regierung?«
    »Kommt
drauf an«, meinte Jean-Michel. »Menschenhandel bringt eine Menge Geld ein. Mehr
als der Drogenhandel.«
    Hector sagte
sich, dass er Jean-Michel immer in Ländern besuchte, in denen man Polizist,
Militär oder Politiker sein musste, um reich zu werden.
    »Aber
vielleicht wird sich das ändern«, sagte Jean-Michel. »Auf jeden Fall in meinem
Bereich.«
    »Und wie?«
    »Warte,
ich erzähle es dir gleich im Büro.«
    Sie gingen
aus dem Krankenhaus. Das Büro, in dem Hector seinen Freund vorhin vergeblich
aufgesucht hatte, lag direkt nebenan. Der schöne junge Mann war nicht mehr da;
diesmal begegnete Hector einer jungen Japanerin, die an einem kleinen Computer
arbeitete. Jean-Michel stellte sie vor: Kumiko war für eine große Organisation
tätig, die versuchte, den Kranken dabei zu helfen, dass sie ihre Medikamente
ordnungsgemäß einnahmen und ausreichend aßen. Denn wenn sie ihre Tabletten
nicht jeden Tag schlucken oder ein paar davon an andere Familienmitglieder
weiterreichen, wenn die nicht ganz auf dem Damm zu sein scheinen, dann nützt
das natürlich niemandem was.
    Man
stellte sich vor und tauschte die üblichen Höflichkeitsfloskeln aus, aber dann
ließ Kumiko sie allein.
    »Erstaunlich
sind sie schon, diese Japaner«, sagte Jean-Michel. »Wenn man bedenkt, was sie
als Besatzungsarmee in diesem Land angerichtet haben ... Und heute helfen
gerade sie am meisten, und nicht allein mit Geld, sondern persönlich vor Ort,
wie du gerade sehen konntest.«
    »Eine
Generation löst halt die andere ab, und die Kinder sind nicht so wie ihre
Eltern.«
    »Aber in
China sieht man immer wieder alte Japaner, ehemalige Soldaten der kaiserlichen
Armee, die nach Nanjing zurückkehren, an den Ort der Gräueltaten, und dort
Gebete verrichten und Schenkungen machen.«
    »Weiß man
denn als indoktrinierter Zwanzigjähriger wirklich, was man tut?«
    »Hier
waren die Gefängniswärter erst sechzehn«, sagte Jean-Michel.
    Er bezog
sich auf ein Gebäude, das einst ein Gymnasium gewesen war, aber während des
Großen Befreiungskampfes gegen die Imperialisten hatte man es in ein Gefängnis
verwandelt, in dem Tausende von Menschen hingerichtet worden waren, manche
von ihnen noch Kinder. Sie hatten unter Folter gestehen müssen, dass sie für
den kapitalistischen Feind spioniert hatten, Geständnisse, die dann als
Rechtfertigung für die Massaker gedient hatten.
    »Der
Mensch ist ein Gesellschaftstier, das immer in einer hierarchischen Struktur
lebt«, sagte Hector. »Wenn nun aber der Chef verrückt ist...«
    »Immer
diese psychologischen Erklärungen«, meinte Jean-Michel.
    »Klar«,
sagte Hector, »das ist doch schließlich mein Job. Und hast du vielleicht eine
bessere?«
    Jean-Michel
saß einen Moment schweigend da und legte die Hände unters Kinn.
    »Manchmal
glaube ich an das Böse«, sagte er.
    »Was
meinst du damit?«
    »Nein«,
sagte Jean-Michel, »lass uns ein andermal darüber sprechen. Und überhaupt
würdest du vielleicht denken, ich wäre verrückt geworden - und wie du mit
Verrückten umgehst, kann ich mir lebhaft vorstellen!«
    Darüber
mussten sie beide lachen, und das tat ihnen gut, denn dieses Land, seine
Vergangenheit, das Krankenhaus und worüber sie gerade gesprochen hatten - all
das war schon bedrückend für jeden, der auch nur ein bisschen sensibel war.
    »Du hast
angedeutet, dass die Dinge sich vielleicht ändern

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