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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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Buch hin und knipste ihre Nachttischlampe aus. Dann küssten und
umarmten sie sich, und dann küssten und umarmten sie sich noch ein bisschen
länger, denn wie wir schon gesagt haben, war Clara für Hector ja mehr als eine
Freundin.
    Irgendwann
in der Nacht wachte Hector auf. Das Licht vom Flur her und die Geräusche
verrieten ihm, dass jemand in der Küche war. Weil er nicht zu den Leuten
gehörte, die immer gleich an das Schlimmste denken - so wie beispielsweise Julie
-, sagte er sich, dass Petit Hector aufgewacht sein musste.
    Und
tatsächlich sah er seinen Sohn im Schlafanzug am Tisch sitzen, mit den Beinen
baumeln und gerade den zweiten Becher Joghurt verdrücken.
    »Na, was
ist denn mit dir los?«, fragte Hector.
    »Ich hatte
Hunger.«
    »Schon
gut, aber du siehst so aus, als hättest du auch Sorgen. Was läuft nicht so,
wie es soll, mein Junge?«
    Hector hatte
gleich gesehen, dass sein Sohn nicht gut drauf war, wie man so sagt.
    »Stimmt«,
sagte Petit Hector, »ich mache mir Sorgen.«
    »Und
warum?«
    »Na ja,
wegen meiner Freunde ...«
    Und dann
erklärte Petit Hector, dass er sehr gut mit Guillaume befreundet war, aber auch
mit Emeric, und nun sollte es bei Emeric, dessen Eltern die größte Wohnung
hatten, die Petit Hector je zu Augen gekommen war, eine Geburtstagsparty
geben. Aber Guillaume war nicht eingeladen, und Petit Hector fragte sich, ob er
mal bei Emeric nachhaken sollte. Aber obgleich sich Emeric mit Guillaume
verstand, war Petit Hector auch klar, dass die Eltern von Emeric nicht von der
gleichen Sorte waren wie Guillaumes Eltern, denn die wohnten in einem kleinen
Haus inmitten von anderen nicht so hübschen kleinen Häusern, und also war es
nicht sicher, dass Guillaume eingeladen werden würde, selbst wenn Petit Hector darum
bat.
    Hector erinnerte
das ein bisschen an Julies Freundschaftsgeschichten.
    »Vielleicht
geh ich dann auch nicht auf die Party«, meinte Petit Hector und runzelte die
Stirn.
    Hector spürte
jedoch, dass ihm das leidgetan hätte. »Nein«, sagte er, »frag Emeric doch
wenigstens.«
    »Und wenn
er Nein sagt?«
    »Na ja,
dann geh trotzdem hin.«
    »Aber
Guillaume wird rausbekommen, dass ich ihn im Stich gelassen habe.«
    »Lade
Guillaume doch zu uns ein. Feiert eure eigene Party. Maman hat bestimmt nichts
dagegen. Dann sieht er, dass du ein richtiger Freund bist.«
    Petit Hector
schien darüber nachzudenken; er aß noch einen Löffel Joghurt und erklärte dann,
dass er sehr, sehr müde sei. Er ging wieder schlafen, aber nun war es Hector, der
sich an den Tisch setzte, um einen Joghurt zu essen.
    Er fand,
dass sich Petit Hector für sein Alter reichlich viele Sorgen machte, aber
gleichzeitig freute es ihn, dass sein Sohn sich ethische Fragen stellte: Wie
weit kann man gehen, ohne dabei einen Freund im Stich zu lassen? Was will man
dabei aufs Spiel setzen? Eine Einladung zu einer Party? Seinen guten Ruf?
Vielleicht sein Leben?
    Er holte
schnell sein Notizbüchlein hervor und schrieb:
     
    Beobachtung
Nr. 2: Ein wahrer Freund ist bereit, Opfer für dich zu bringen oder sich
deinetwegen sogar in Gefahr zu begeben.
     
    Und
plötzlich hatte Hector die Vorahnung, dass diese Beobachtung für ihn selbst
brennend aktuell werden könnte. Er aß seinen Joghurt auf und legte sich wieder
ins Bett, aber den Rest der Nacht schlief er nicht besonders gut.
     
    Hector hat großes Glück
     
    Am nächsten Tag saßen Clara, Hector und Petit Hector in
der Küche beim Frühstück.
    »Du
schlingst«, sagte Clara zu Hector.
    »Entschuldige
bitte.«
    »Genau,
Papa, du schlingst ja wie ein Wolf!«
    Hector schaute
die beiden an: Sie machten sich Sorgen um ihn. Sollte er ihnen sagen, dass er
sich selbst solche Sorgen um Edouard machte, dass er bereit war, seine Familie
für einige Zeit allein zu lassen? Aber nein. Schließlich hatte ihn Edouard um
nichts gebeten. Einem Freund zu helfen, war eine Pflicht, gewiss - aber nur,
wenn er Hilfe brauchte.
    Später
dann saß er im Auto neben Clara, die ihn an seiner Praxis absetzen sollte.
    Waren es
Hmong? Oder Tai? Yao? Lahu? Oder vielleicht Karen?
    »Meinst du
nicht, dass du mir erzählen solltest, was dich so beunruhigt?«
    Und Hector
erklärte Clara die ganze Geschichte, Edouards Nachricht inbegriffen: Warte auf
mich.
    Clara
hatte das Auto am Straßenrand geparkt und schaute Hector an, während er seinen
Bericht mit den Worten abschloss, dass jemand, der schlau genug war,
dreihundert Millionen Dollar zu stehlen, sich sehr gut allein aus der Affäre
ziehen

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