Lelord, Francois
Kostüm,
Studenten oder Oberschülerinnen in ihrer Uniform. Er fragte sich, ob diese
Geste und dieser Glauben die Menschen glücklicher machten, und er hatte das
undeutliche Gefühl, dass es tatsächlich so war. In seinem eigenen Land hingegen
fanden viele es total altmodisch, an eine andere Welt zu glauben. Über diese
Frage wurde viel debattiert, aber er wusste, dass alle Untersuchungen über das
Glück bestätigt hatten, dass gläubige und ihre Religion praktizierende Menschen
überdurchschnittlich glücklich waren und dass sie seltener zum Psychiater gingen
und weniger Medikamente brauchten. Im Interesse der Kosten für das
Gesundheitswesen hätte man glatt zum Glauben aufrufen können, jedenfalls so
lange, wie sich nicht besonders eifrige Gläubige der Religion bedienten, um
festzulegen, wer den wahren Glauben hatte und wer nicht, und dann wenig
sympathische Pläne für die Letzteren zu schmieden.
Kurz
darauf ging er unter den großen Kronleuchtern der Salons des Grand Mandarinal hindurch,
und das ganze Personal lächelte ihm zu und grüßte ihn mit derselben respektvollen
Geste, als wäre er selber eine Reinkarnation des Erleuchte ten oder
ein alter Freund, der gerade heimgekehrt war. Hector nahm Kurs auf die Terrasse
am Ufer des Flusses.
Nur an
wenigen Tischen saßen Gäste, zumeist Engländer oder Amerikaner, die schon etwas
älter waren und den Eindruck machten, als fühlten sie sich ganz zu Hause. Hector
entschied sich für einen Tisch am Rande der Balustrade, von wo man eine schöne
Aussicht auf den Fluss und die blumengeschmückten Boote genoss - den Anblick,
der ihn während seines Telefongesprächs mit der Lady beruhigt hatte.
»Sie mögen
wohl den Blick aufs Wasser?«
Plötzlich
stand Leutnant Ardanarinja neben ihm oder jedenfalls die Frau, die so zu
heißen vorgab. Wie immer lächelnd, trug sie diesmal ein hübsches blassblaues
Kleid, das unten so glockig auslief wie eine Blumenkrone. Sie wirkte ganz und
gar nicht mehr wie eine Polizistin, sondern wie eine schöne junge Frau, die
sich ihrer Reize bewusst war und stolz ihre hübschen braunen Arme und ihre (wie
Hector verblüfft feststellte) Chanel-Handtasche präsentierte. Er stand auf, wartete,
bis sie Platz genommen hatte, und merkte, wie sehr ihr diese kleine Geste
gefiel, ganz als ob ihr so etwas nicht eben oft passierte, was Hector wunderte.
Ihr
eigentlich schwarzes Haar war eine Spur kastanienbraun und noch immer zu einem
strengen Pferdeschwanz zusammengebunden, aber diesmal wurde es von einem samtenen
Haarband gehalten; außerdem trug sie Perlenohrringe, die sehr gut zu ihrem
goldbraunen Teint passten, und einen leichten Glanz auf den Lippen, den die
Frauen, wenn sich Hector recht erinnerte, Lipgloss nannten.
Sollte
sie, nachdem sie beim letzten Mal versucht hatte, ihm Angst einzujagen, jetzt
in den Verführungsgang umgeschaltet haben? In Anbetracht seines Faibles für
Superfrauen sagte sich Hector, dass sie es ja gern einmal versuchen konnte.
Aber gleichzeitig spürte er auch, dass ein Teil von ihm völlig unempfänglich
war für den Charme von Leutnant Ardanarinja oder, besser gesagt, jener jungen
Frau, die sich diesen Dienstrang und diesen Namen angemaßt hatte.
Sie ließ
ihn die Cocktails bestellen, und der Kellner war so ehrerbietig, als wäre Hector
der Hoteldirektor persönlich. Nach einigen Bemerkungen über die Schönheit des
Panoramas, den zeitlosen Reiz des Ortes und die exzellenten Thaijitos mit
Mekong-Whisky beschloss Hector, zur Sache zu kommen. »Und ... sind Sie meinem
Freund auf die Spur gekommen?«
Sie
lächelte, als würde sie einen guten Scherz zu schätzen wissen. »Glauben Sie,
ich säße hier, wenn das der Fall wäre?«
»Ich weiß
nicht - vielleicht wollten Sie mich ja einfach gern wiedersehen?«
Sie
schaute ihn eine Sekunde lang an, und er musste zugeben, dass sie wirklich
charmant war; im Schein der nun untergehenden Sonne nahmen ihre Pupillen die
Farbe von Kaffeelikör an. Hector ermahnte sich, an die Regel zu denken, die er
bei seiner Heirat für sich selbst aufgestellt hatte: Mit Frauen, die jünger
waren als er, wollte er künftig jedes Gespräch unter vier Augen vermeiden, es
sei denn, dienstliche Pflichten zwangen ihn dazu. Aber na ja, an diesem frühen
Abend waren es doch irgendwie dienstliche Pflichten ...
»Ich
versuche, meine Arbeit und meine persönlichen Gefühle niemals zu vermengen«,
sagte sie.
»Sie versuchen
es ... Also haben Sie heute doch persönliche Gefühle?«
Sie lachte
wieder,
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