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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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beste
Wahl. Nicht geduldig genug und körperlich allzu auffällig. Aber in der Aktion
war er der Beste, er wusste es genau; also würde man ihm den Fall bestimmt
nicht entziehen.
    Heute aber
war er nicht zum Handeln da, sondern nur zum Beobachten.
    Ein
kleines Auto fuhr an ihm vorbei und hielt vor dem Haus. Das waren sie. Eine
junge Frau stieg aus und schützte ihre Frisur mit einem Aktenordner gegen die
Nässe; sie hatte sich den Regenmantel über die Schultern gehängt und öffnete
den Kofferraum. Dann sah man einen kleinen jungen: Der Regen schien ihm gleichgültig
zu sein, aber er kümmerte sich liebevoll um ein Hündchen, das er auf den Armen
hatte. Seine Mutter legte ihm die Hand auf die Schulter, damit er sich beeilte,
und dann begann sie das Gartentor zu öffnen.
    Während
sie sich damit abmühte, den Schlüssel herumzudrehen - der Mann hatte eine
Blockiersubstanz ins Schloss gesprüht -, konnte er sie in aller Ruhe
betrachten. Sie war hübsch und ernst zugleich, Frau und Mutter in einer Person.
Bis es ihr gelungen war, das Tor zu öffnen, hatte er ihr Gesicht längst im
Gedächtnis gespeichert, genauso wie das des kleinen jungen und auch das
Aussehen des Hundes, der seltsamerweise immer in seine Richtung guckte.
Schließlich sah er sie durch den Garten gehen, die Mutter mit den Schlüsseln in
der Hand, den kleinen jungen, der den strampelnden Hund festhielt, damit er
nicht auf den nassen Boden sprang. Was für eine rührende Szene.
    »Keiner
hält durch, wenn du ihm androhst, dass seinen Angehörigen was passiert«, hatte
einer seiner Auftraggeber einmal gesagt. »Einfach keiner.«
    Das konnte
er nur bestätigen. Gleichzeitig erinnerte er sich nicht besonders gern daran,
dass er Familien gefoltert hatte.
    Man konnte
zur Not ja immer noch mit dem Hündchen anfangen, dachte er, und es tat ihm
leid, dass niemand da war, um mit ihm über diesen guten Witz zu lachen.
     
    Hector in der Weihnachtsmannhöhle
     
    Es war eine seltsame Fußgängerzone: links und rechts der
Straße gab es ausschließlich Bars, als wären alle Versuche, hier andere
Geschäfte einzurichten, fehlgeschlagen. Die blinkenden Neonreklamen färbten
den nächtlichen Himmel so bunt wie ein Feuerwerk, und die Musik, die aus den
Bars dröhnte, machte Hector ganz benommen, während er die Straße weiter
entlangging. Hin und wieder schenkte er einer der vielen jungen Asiatinnen, die
vor den verhängten Eingängen auf Schemeln saßen und ihn hineinbaten, ein entschuldigendes
Lächeln. Durch die Straße ergoss sich eine wahre Flut von Männern jedes Alters
und jeder sozialen Stellung, Japaner genau wie Europäer oder Amerikaner. Alle
schienen sie selig zu sein, viele waren schon an den äußeren Tischen
gestrandet, um mit ihren Kumpels ein paar Bier zu leeren. Gesellschaft
leisteten ihnen junge Frauen, von denen gar nicht wenige eine
Weihnachtsmannmütze trugen, was ihnen zusammen mit den roten Shorts und den Netzstrümpfen
ein festliches Aussehen verlieh. Angesichts der verzückten Blicke all jener
Männer begann Hector zu begreifen, dass er in eine Art Weihnachtsmannhöhle
geraten war, einen magischen Ort für erwachsene Männer, die im Grunde doch
kleine Jungs geblieben waren. Denn anders, als er erwartet hatte, herrschte in
dieser Straße eine Art ausgelassene Fröhlichkeit, genau wie bei ihm zu Hause
in den Straßen mit ihren weihnachtlich geschmückten Schaufenstern. Auch wenn
man wusste, dass diese Fröhlichkeit nur Fassade war, erfreute sie die
vergnügten Zecher ebenso wie die jungen Frauen, die ihnen das Glas füllten. Hector
wusste auch, dass jemand, der eine Emotion vortäuscht, sie dann teilweise
tatsächlich verspürt - vor allem dadurch, dass er sie um sich herum verbreitet,
und dieses Talent war bei all jenen jungen Frauen schon mehr oder minder
ausgeprägt.
    Hector lief
weiter die Straße entlang und hob manchmal den Kopf, um nach den bunten
Namensschildern zu schauen; in regelmäßigen Intervallen wummerte ihm aus den
Bartüren Tanzmusik entgegen.
    Long Gun ... Cactus ... Shark ...
Tilac ... Baccarat ... Suzie Wong ... CowBoys ...
    Schließlich
stand er vor dem Eingang des Dolly Dolly, dessen
Leuchtreklame in Blau und Rot gehalten war und zwei Katzen zeigte, die
ausgestreckt und ineinander verschlungen dalagen. Der Schriftzug erinnerte ihn
an die Sechzigerjahre. Zwei junge Frauen, die nicht besonders anziehend, aber
tief dekolletiert waren und Hector zulächelten, zogen mit Beflissenheit den
Vorhang vor der Eingangstür

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