Lelord, Francois
klang Leutnant Ardanarinjas Stimme herzlich.
»Es freut
mich zu hören«, sagte sie, »dass Sie auf Durchreise in dieser Region sind.« Hector
konnte an ihrem Tonfall erkennen, dass sie dabei lächelte. Das Lächeln der
Pantherin, dachte er - bevor sie dir ihre Fangzähne in den Hals schlägt. Sie
verabredeten ein Treffen in der Bar, in die er auch Valerie einladen wollte.
Danach
rief er Brice an.
»Hector,
altes Haus! Wie schön, deine Stimme zu hören!« Seine Ankunft schien hier
wirklich alle Welt zu erfreuen.
Brice
schlug vor, am späteren Abend gemeinsam in eine Bar zu gehen, die den drolligen
Namen Dolly Dolly trug.
Dann rief
er die Assistentin der Lady zurück.
»Es geht
ihr nicht gut. Kommen Sie, wenn irgend möglich, her.«
Die Lady
hatte ihre Dreharbeiten im Norden des Landes begonnen, gleich neben dem Dorf
eines kleinen Bergvolkes. Die Assistentin erklärte, dass sie bei der
Gelegenheit auch ein Flüchtlingslager besucht hatten. An solchen mangelte es in
der Gegend nicht gerade, denn jenseits der Grenze tobte ein unablässiger Kampf
zwischen der Zentralgewalt und aufständischen Gebieten, und in den letzten
Jahren hatten sich Tausende von Dorfbewohnern auf den Weg über Bergkämme und
durch tiefe Wälder gemacht, um über die Grenze zu gelangen und diesem endlosen
Krieg zu entfliehen. Seit ihrem Besuch im Lager hatte die Lady wieder begonnen,
exzessiv Schlafmittel zu schlucken, und inzwischen verließ sie ihren Wohnwagen
überhaupt nicht mehr. Die Filmproduzenten waren verzweifelt, und die
Versicherung weigerte sich, für die verlorenen Drehtage zu zahlen - es war die
Hölle inmitten der grünen Hölle.
Während Hector
der Assistentin zuhörte, setzte er sich mit dem Telefon und einem Singha Beer
auf den Balkon und bat schließlich, mit der Lady selbst sprechen zu dürfen. Mit
seinen Blicken folgte er den langen, blumengeschmückten Booten, die wie
Messerschneiden aussahen und still über den Fluss glitten. Er sagte sich, dass
ihm dieser Anblick helfen würde, Ruhe zu bewahren.
Er musste
so lange warten, dass er die Sonne ein gutes Stück tiefer sinken sah und viele
Schiffe mit nelken- und jasmingeschmücktem Bug unter seinem Balkon das Wasser
durchschnitten. Er hatte das halbe Bier ausgetrunken, als er die weltberühmte
Stimme vernahm - sie japste und keuchte.
»Wie
schrecklich das alles ist!«
»Pardon?«
»Wie
schrecklich das alles ist. Was mir die Leute erzählt haben.«
»Die
Leute?«
»Na, ich
habe doch ein Flüchtlingscamp besucht«, sagte die Lady zornig, als wäre Hector der
letzte Idiot.
»Ja, ich
weiß. Ich kann mir vorstellen, dass es hart für sie sein muss.«
»Nein!
Ganz und gar nicht! Dort im Camp sind die Lebensbedingungen gut!«
»Aber was
meinen Sie dann?«
»Das, was
man mir erzählt hat... was auf der anderen Seite der Grenze geschieht...«
Und nach
Luft ringend, berichtete ihm die Lady von Dörfern, die angegriffen und völlig
niedergebrannt wurden, von Mädchen, die vor den Augen ihrer Familie von den
Soldaten vergewaltigt wurden, von ganz jungen Männern, die zwangsrekrutiert
wurden - tagsüber von der Armee oder nachts von den Rebellen -, von Eltern, die
man vor ihren Kindern tötete, und noch von vielen anderen Grausamkeiten. Die
Lady weinte, die Lady hatte nämlich ein Herz, und selbst wenn es sich vor den
Menschen aus ihrer Umgebung verschloss, hatte das Unglück dieser Unbekannten
ihr scheinbar so unberührbares Herz doch berührt.
Er ließ
sie eine Weile weinen und wartete, bis sie sich wieder ein wenig im Griff
hatte, damit er ein wirkliches Gespräch in Gang bringen konnte.
Und
plötzlich sagte die Lady: »Ich habe begriffen.«
»Was haben
Sie begriffen?«
Da sagte
sie etwas, das Hector für den Rest seines Lebens nie mehr vergessen sollte:
Man kann
nur glücklich sein, wenn man vor den Schrecken der Welt nicht die Augen
verschließ.
Hector spielt mit dem Feuer
Als der Taxifahrer an einem buddhistischen Altar
vorbeifuhr, der sich plötzlich am Gehwegrand umgeben von Weihrauchwölkchen und
Girlanden aus frischen Blumen erhob - Weiße des Jasmins, Strahlen der
Ringelblumen ließ er das Lenkrad eine Sekunde lang los, um die Hände zu falten
und den Kopf in Richtung des Erleuchteten zu neigen. Hector hatte diese altüberlieferte
Geste jedes Mal beobachtet, wenn er sich in der Nähe einer Buddhadarstellung
befand, dieses diskrete Zeichen von Respekt und Frömmigkeit, das
Straßenverkäufer ebenso zeigten wie Geschäftsleute, junge Frauen im
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